Der Absturz Emmanuel Macrons in den französischen Meinungsumfragen hinterlässt Spuren: Seine erste diplomatische Grundsatzrede richtete sich gar nicht an die 200 Botschafter des Landes, die nach Paris gejettet waren – sondern an die Innenpolitik. Europa-Elan und Terrorbekämpfung haben ihm zufolge das gleiche Ziel: den "Schutz der Bürger" vor der globalen Unbill. Und als obersten Schutzherrn sieht sich Macron: Mit einem Eurobudget und Eurofinanzminister will er die lahmende französische Wirtschaft ankurbeln, mit Militäreinsätzen in Syrien und in der Sahelzone die Jihad-Brutstätten ausmerzen.

Macron folgt bis ins Detail innenpolitischem Kalkül: Abgesehen von Europa und den wichtigsten internationalen Krisenherden verurteilte er in seiner Rede einzig die "Diktatur" in Venezuela. Auch damit zielte er auf seinen innenpolitischen Hauptgegner in Paris, Linkenchef Jean-Luc Mélenchon, der gegen Macrons Arbeitsmarktreform die Massen zu mobilisieren sucht, aber die Chavisten in Venezuela partout nicht kritisieren mag.

Die Fortsetzung der Innenpolitik mit diplomatischen Mitteln ist ein beliebtes Mittel französischer (und anderer) Staatschefs. Letztlich schadet sie aber der Glaubwürdigkeit und Kontinuität des außenpolitischen Élysée-Kurses. Macrons hehre Prinzipien klängen überzeugender, wenn sie geopolitisch durchdacht oder gar humanitär motiviert wären – statt heimischer Umfragekurven zu folgen. (Stefan Brändle, 29.8.2017)