FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seine Brille sorgen manchmal für mehr Aufmerksamkeit als Inhalte.

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Wahlkämpfe können ganz schön unterhaltsam sein. Je nach Standpunkt amüsiert oder ärgert man sich über eigenwillige Plakate, verunglückte Slogans oder abstruse Kandidaturen. Zudem bieten die zahlreichen TV-Formate ausreichend Anlass, sich über Unwesentliches auszulassen (Wo hat der Strache heut' seine Brille?).

Das ist auch alles halb so wild. Wenn Politik keinen Unterhaltungswert hätte, wäre das Interesse an ihr gewiss geringer. Problematisch wird es nur, wenn die tatsächlich relevanten Sachfragen von weniger wichtigen Dingen überlagert werden.

Eine robustere öffentliche Debatte über inhaltliche Differenzen zwischen den Parteien würde vielen Menschen nämlich eine bessere Hilfestellung bei der Wahlentscheidung bieten. Eine 2013 veröffentlichte Untersuchung von David Johann und Christian Glantschnigg zeigt etwa, dass nur eine Minderheit aller Wähler 2008 jene Partei wählte, die ihre inhaltlichen Überzeugungen am besten repräsentierte.

Eine vielleicht altmodische, aber heutzutage umso sinnvollere Möglichkeit der Information ist die Lektüre von Wahlprogrammen. Wie die Grafik unten zeigt, hat der Umfang von Wahlprogrammen seit 1945 drastisch zugenommen. Handelte es sich zu Beginn der Zweiten Republik meist noch um recht kurze Wahlaufrufe in Parteizeitungen, so ist die Medianlänge von Wahlprogrammen jüngst auf über 1.000 Sätze angestiegen (wobei es große Unterschiede gibt – die FPÖ etwa hatte 2013 ein extrem schlankes Programm). 2017 verspricht (vor allem bei SPÖ und ÖVP) neuerlich ein Rekordjahr zu werden.

Nun sind Wahlprogramme alles andere als neutrale Darstellungen. Sie enthalten Spin, Dramatisierungen und Beschönigungen. Noch dazu sind sie durch ihre mittlerweile stattliche Länge und sprachliche Komplexität (irgendwo zwischen Thomas Mann und Jürgen Habermas laut dieser Untersuchung) nicht immer leicht verdaulich.

Dennoch: Wer sich dafür interessiert, was Parteien nach der Wahl zu tun gedenken, der findet in Wahlprogrammen hunderte konkrete Versprechen, deren Umsetzung in der (knappen) Mehrheit der Fälle auch stattfindet. Wahlprogramme sind und bleiben die dichteste und umfassendste Darstellung des politischen Programms von Parteien. Sie gehören gelesen.

Über Straches Brille können wir danach noch immer reden. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 31.8.2017)