Wien – Ausländer liegen der Allgemeinheit auf der Tasche: Wer im Wahlkampf so etwas behauptet, hat gute Chancen, auf Zuspruch zu stoßen. Laut einer Umfrage des European Social Service ist eine relative Mehrheit der Österreicher der Meinung, dass Ausländer mehr an Sozialleistungen bekommen, als sie ins System einzahlen.
Liegt Volkes Stimme da richtig? Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung hat in den Datensätzen der Statistik Austria nach einer Antwort gewühlt. Er berechnete die Beiträge, die Ausländer in die heimischen Sozialtöpfe eingezahlt haben, und verglich sie mit den finanziellen Leistungen, die diese dafür bekamen: von den Pensionen über die Familienbeihilfe und das Pflegegeld bis zur Mindestsicherung.
Salomonisches Ergebnis
Das Ergebnis fällt geradezu salomonisch aus. Laut Fuchs' Rechnung zahlten Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft zuletzt 5,7 Milliarden Euro an Sozialbeiträgen ein und erhielten Geldleistungen von 5,3 Milliarden Euro. Grosso modo, sagt der Experte, stiegen Ausländer also pari aus.
Österreicher sind laut dieser Rechnung hingegen Nettoempfänger: Sie zahlten in Summe 50,6 Milliarden ein, bekamen aber gleich 59,2 Milliarden retour. Die Lücke deckt der Staat mit über Steuern eingehobenem Geld ab.
Fuchs schickt jedoch gleich mehrere Aber hinterher. Weil die Daten von 2014 stammen, sind die Auswirkungen der großen Flüchtlingswelle von 2015 noch nicht abgebildet. Sachleistungen – vom Krankenhausaufenthalt bis zur Grundversorgung für Asylwerber – fehlen in der Rechnung ebenfalls. Umgekehrt sind steuerfinanzierte Leistungen wie Pflegegeld und Mindestsicherung inkludiert, nicht aber sämtliche Steuern – denn dieses Geld lässt sich nicht einzelnen, konkreten Ausgaben zuordnen.
Eine Momentaufnahme
Überdies handle es sich um eine "Momentaufnahme", betont der Forscher. Dass sich die Ausländer die erhaltenen Sozialleistungen im Gegensatz zu den Österreichern quasi selber zahlen, liege am durchschnittlich jüngeren Alter: Ein größerer Anteil steht im Erwerbsleben und zahlt deshalb kräftig in die Sozialtöpfe ein.
Natürlich werden auch diese Menschen älter und erwerben Anspruch auf Pension oder Pflegegeld. Könnte die Bilanz dann kippen? Die Altersleistung werde zu einer Verschiebung führen, sagt Fuchs, das Ausmaß hänge von den Umständen ab: Übernehmen neue Zuwanderer Arbeitsplätze, die wegen schwacher Geburtenjahrgänge in Österreich sonst nicht besetzt werden könnten, würde sich wohl wenig ändern. Kommen hingegen massenhaft schlechtqualifizierte Menschen, die von der Mindestsicherung leben, während die Digitalisierung Jobs wegfrisst, könnten Ausländer im Sozialsystem verstärkt zu Nettoempfängern werden. Statistisch spielt es auch eine Rolle, ob und wann Ausländer eingebürgert werden – und in der Rechnung somit als Österreicher zählen.
Ausländer stützen die Pensionen
Bei manchen Leistungen sind Zuwanderer heute schon Nettoempfänger: In der Arbeitslosenversicherung zahlen sie elf Prozent der Beiträge, erhalten aber 26 Prozent der Leistungen – Grund ist die in der Gruppe höhere Arbeitslosenrate. Profiteure sind Ausländer – weil eben jünger – auch bei den Familienleistungen: Das Verhältnis der Ein- und Auszahlungen steht bei zwölf zu 20 Prozent.
All das kompensiert aber der große Brocken der Pensionen, auf die rund 70 Prozent der sozialen Geldleistungen entfallen: Ausländer zahlten elf Prozent der Beiträge ein, bezogen aber nur fünf Prozent der Leistungen – Pensionszahlungen an im Ausland lebende Menschen inklusive. In frühere Berechnungen waren diese nicht einbezogen, weshalb Ausländer darin eindeutig als Nettozahler ausgewiesen waren.
Unterrepräsentiert sind Zuwanderer auch beim Pflegegeld, bei der Mindestsicherung ist das Verhältnis umgekehrt. Doch so sehr diese auch umstritten ist: Die Mindestsicherung macht 1,3 Prozent der staatlichen Sozialleistungen in Geldform aus – und fällt deshalb nicht groß ins Gewicht. (Gerald John, 4.9.2017)