Innsbruck – In Nordamerika, wo Wölfe, Pumas, Schwarzbären und Grizzlys in direkter Nachbarschaft zur menschlichen Zivilisation leben, kann man über die Aufregung vermutlich nur lächeln, die in westeuropäischen Staaten jedesmal dann ausbricht, wenn sich Raubtiere in Gebiete zurückwagen, in denen sie vor Jahrhunderten ausgerottet wurden. Jüngstes Beispiel ist die Debatte um "wolffreie Zonen", in die sich nun der WWF eingeschaltet hat.

Bauern-Vertreter aus Südtirol, Tirol und Bayern hatten gefordert, dass die drei Länder zur "wolffreien Zone" erklärt werden sollten. Wölfe würden zu oft Nutztiere reißen – in Südtirol habe man sogar damit begonnen,"die Tiere frühzeitig von den Almen zu holen", berichtete Südtirols Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler.

Ungewollte Folge

Die Umweltorganisation WWF bezeichnet dies als "fachlichen Nonsens". Abschüsse schützen Nutztiere nicht, argumentierte WWF-Wolfsexperte Christian Pichler: "Ganz im Gegenteil – getötete Wölfe führen oft sogar zu einem Ansteigen an Nutztierrissen". Dies hätten Untersuchungen aus den USA und Europa gezeigt.

Pichler zum Hintergrund dieses auf den ersten Blick paradoxen Phänomens: "Solche Eingriffe bringen die soziale Struktur in Wolfsrudeln durcheinander. Der Abschuss eines Elterntieres kann beispielsweise dazu führen, dass Wölfe ihr Jagdverhalten ändern und die jüngeren, unerfahreneren Wölfe dann auf leichter zu erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe ausweichen". Abschüsse könnten dazu führen, dass die Anzahl der Risse in Folge sogar stiegen.

Mehr Schutz für Herden

Zudem gab der Umweltschützer zu bedenken, dass solche Zonen nicht zwangsläufig lange wolfsfrei bleiben müssen. Denn Wölfe können bis zu 1.000 Kilometer weit wandern. Immer wieder würden dann Einzeltiere aus umliegenden Regionen diese Gebiete besuchen. Zudem würden derartige Zonen geltendem EU-Naturschutzrecht widersprechen.

"Wenn man eine populistische Forderung immer wieder wiederholt, wird sie deswegen nicht wahrer", so Pichler. Die einzige wirksame Methode zum Schutz von Schafen sei der Herdenschutz. Zumindest in diesem Punkt dürfte sich eine gemeinsame Basis von Viehhaltern und Artenschützern finden lassen: Der Tiroler Schafzuchtverband hatte im Zuge der Debatte auch darauf hingewiesen, dass es bald keine Hirten mehr gebe. "Es finden sich einfach keine Idealisten mehr. Das führt dazu, dass die Tiere nicht die notwendige Versorgung bekommen." (APA, red, 1. 9. 2017)