Symbol der neuen Partei wird eine rote Rose mit einem Stern in der Mitte sein.

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Bogotá/Puebla – Es gab noch hochgereckte Fäuste, und es war noch von "den Massen" zu hören – aber nicht alles war angestaubt auf dem historischen Parteitag, auf dem sich diese Woche die ehemalige kolumbianische Guerilla Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, Farc) in eine Partei umwandelte.

Ergänzt wurde die klassenkämpferische Rhetorik durch Poesie-Happenings und Powerpoint-Präsentationen, und die "Massen" durften auf Initiative des obersten Militärchefs Rodrigo Londoño per Twitter mitreden, wie die künftige Partei zu heißen habe.

"Neues Kolumbien" hatte unter 10.000 Twitter-Usern die Nase vorn, knapp vor dem von der historischen Führung favorisierten und letztlich in der Basisabstimmung siegreichen "Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes" (Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común), was im Original die gleiche Abkürzung (Farc) hat wie die einstige Guerilla.

Der Kongress, zu dem 1200 Delegierte – zumeist ehemalige Kämpfer – geladen waren, endete am Freitag mit einer Feier auf der Plaza Bolívar im Zentrum der Hauptstadt Bogotá. 53 Jahre nach der Gründung der Farc erobert Londoño alias Timochenko, sein Kampfname, damit das Herz der kolumbianischen Hauptstadt – allerdings nicht mit Waffen, sondern dank eines Friedensabkommens, das vor einem Jahr dem blutigen Konflikt ein Ende bereitete.

"Wenn die Farc auch die Stadtbevölkerung einbezieht, sich breit aufstellt und zu Allianzen bereit ist, hat sie Chancen, zu einem wichtigen Akteur des politischen Lebens zu werden", sagte León Valencia, Direktor der Stiftung für Frieden und Aussöhnung.

Großer Andrang beim Farc-Parteitag.
Foto: APA/AFP/RAUL ARBOLEDA

Bestimmende Themen waren Parteiprogramm, Statuten, der Name der Partei und die Delegierten, die bei den künftigen Wahlen in den Senat und das Abgeordnetenhaus einziehen werden. Je fünf Farc-Abgeordnete haben laut Friedensabkommen in den nächsten beiden Wahlperioden einen Sitz sicher, bevor sie sich wie alle anderen Parteien auch dem Wettbewerb um Wählerstimmen stellen müssen.

Die Klausel war bei den Gegnern des Abkommens auf Ablehnung gestoßen. Sie gehen davon aus, dass historische Guerillaführer in den Kongress einziehen werden, die ihrer Meinung nach wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen aber ins Gefängnis gehören. Iván Márquez, der ehemalige Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen, soll Insiderinformationen zufolge an der Spitze der Liste für den Senat stehen und Rebellenchef Pablo Catatumbo an der für das Abgeordnetenhaus; einige Frauen sollen für Geschlechterparität sorgen.

Farc-Komandant Rodrigo Londoño alias Timochenko.
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Londoño wird als künftiger Parteichef gehandelt, ist gesundheitlich jedoch angeschlagen. Die nächste Wahl steht bereits im kommenden Jahr vor der Tür. Einen eigenen Präsidentschaftskandidaten der Guerilla wird es nicht geben, stattdessen soll ein Kandidat unterstützt werden, der sich für die Umsetzung des Friedensabkommens einsetzt.

Unter den Teilnehmern des Kongresses waren neben Guerilleros auch Studentenführer, linke Intellektuelle und Politiker aus Lateinamerika, Gewerkschafter, Journalisten, Künstler und UN-Funktionäre.

Warnung vor Stigmatisierung

Auch die bisher 16 Aspiranten auf den Präsidentensessel wurden eingeladen, um den Delegierten ihre Vision darzulegen. Allerdings schickte nur die linke Politikerin Clara López einen Gesandten, der vor einer "Stigmatisierung der neuen Partei" warnte.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, gab es unter den Delegierten kontroverse Debatten über die programmatische Ausrichtung und die Frage, inwieweit die Besinnung auf die historischen Wurzeln des Marxismus-Leninismus durch modernere Ideen ersetzt werden soll.

Londoño plädierte für ein Ende des Sektierertums und für den Blick in die Zukunft, während Márquez die Tradition betonte: "Wir werden eine revolutionäre Organisation bleiben und unserer Vergangenheit nicht entsagen."

Vor Kolumbien verwandelten sich schon die Guerillagruppen aus Guatemala und El Salvador nach Friedensabkommen in Parteien. El Salvador wird derzeit von der ehemaligen Guerilla regiert, in Guatemala gelangte die linke Partei hingegen nie über ein paar Sitze im Kongress hinaus. (Sandra Weiss, 1.9.2017)