Menschen "sem teto, sem terra" – "ohne Dach und ohne Land" – porträtiert Peter Bauza in Momenten der Freude und Trauer. Alltag im Elend in den Slums von Rio de Janeiro.

Foto: Lukas Friesenbichler

Normalerweise verbindet man weltweit mit der Copacabana Lebensfreude à la Karneval, Samba, Strand, Tanz und Erotik. Dass ebendort, abseits touristischer Hochglanzpostkarten-Idyllen, aber vor allem eine andere Realität herrscht, verdrängt man gut und gern. Ein konträres Bild zeichnet Fotograf Peter Bauza. Copacabana Palace, bewusst zynisch, nennt der seit 20 Jahren in Lateinamerika lebende Deutsche seine Serien über die Favelas von Rio de Janeiro, in Anlehnung an das berühmteste Hotel an der Avenida Atlântica, dem Prachtboulevard entlang der Strandpromenade Calçadão.

Im Schatten des Zuckerhutes aber existiert, scheinbar unbeachtet und unbehütet von der Statue Jesu Christi, ein ganz anderer Copacabana Palace: eine Siedlung, die aufgrund der in Brasilien nicht gerade unüblichen Mesalliance aus Unwissen, Korruption, Spekulation, Bauskandalen, Inkompetenz und asozialem Denken nicht fertiggestellt wurde. Nichtsdestotrotz leben in dem Areal tausende Menschen. Inmitten von Schutt, Schmutz, Scheiße, toten Tieren, in einer olfaktorischen Melange aus Verwesung und Verwegenheit versuchen die Menschen ein normales Leben zu führen.

Ohne Zeigefinger, ohne in einen die Porträtierten in ihrem Unglück, in ihrer Ungepflegtheit, die Individuen in ihrem Sich-selbst-zu-Markte-Tragen, im Sich-selbst-überlassen-Sein vorführenden Sozialporno abzugleiten, sucht Bauza die Seele seiner ums Überleben kämpfenden Protagonisten. Er versucht, jenen "ein Gesicht und eine Stimme zu geben, die unsere Hilfe ganz dringend benötigen". Verworfenes Leben in den Molochen skelettierter Bauten. Wen kümmert es, abseits der Öffentlichkeit, ein Jahr nach den Olympischen Spielen? Ein Opus magnum: heftig, verstörend, berührend. Einfühlsam. Stark. (Gregor Auenhammer, Album, 8.9.2017)