2,7 Milliarden Umsatz in europaweit 956 Filialen: Mit Action haben Finanzinvestoren das Geschäft der Billigketten für sich entdeckt.

Action

Wien – In der Auslage locken Heimatromane, Schuhsohlen, Zeltheringe und Gießkannen. Ein Gummiband bewahrt einen alten Ständer mit Sonnenbrillen vorm Umfallen. Neonröhren verbreiten ein flackerndes Licht, die Wände sind notdürftig verputzt. Kabel hängen ins Leere, und zwei Ventilatoren verteilen die schwüle Sommerluft gleichmäßig über Dutzende Kunden, die sich an mit bunter Haushaltsware vollgestopften Papierkartons vorbei durch die vier engen Gänge der Filiale schlängeln.

Kein Teil des offenbar willkürlich zusammengewürfelten Sortiments kostet mehr als fünf Euro. Von allem gibt es ein bisserl, von nichts wirklich viel. Wie Jäger und Sammler streifen Passanten durch das Geschäft, das sich in einer ruhigen Wiener Einkaufsstraße zwischen glitzernde Fassaden anderer Handelsketten quetscht. Kaum einer verlässt es ohne Einkauf.

Wettlauf um Restposten

Sie nennen sich Euroshop, Allerlei oder Ein-Euro-Shop. Sie besetzen Flächen, die wenige Konkurrenten reizen, leben von Restposten und Kunden mit schmaler Geldbörse, die sich spontan kleine Wünsche erfüllen. Es sind fast ausschließlich Einzelkämpfer, die im Diskontgeschäft abseits der Lebensmittel weit außerhalb des Radars der Marktforscher ihr Glück versuchen. Der eine sperrt zu, der andere wieder auf. Einige jedoch sind nun gekommen, um zu bleiben: Sie sind groß, finanzstark und ehrgeizig. Und sie rühren in der gemeinhin eher angestaubten, schlampigen Branche gehörig um.

Action ist einer von ihnen. Vor 24 Jahren von Holländern gegründet, zog der Konzern mittlerweile ein Netz aus 956 Filialen über Europa. Allein im Vorjahr kamen fast 200 hinzu. Der Umsatz stieg um 34 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro, noch stärker wuchsen die Erträge auf zuletzt 310 Millionen Euro.

Vor sechs Jahren entdeckten die Private-Equity-Fonds das lukrative Schnäppchengeschäft für sich – Action kam unters Dach des Londoner Finanzinvestors 3i. Parallel zu starker Expansion in Deutschland versucht sich die Gruppe seit zwei Jahren an Österreich – ohne darum viel Aufsehen zu machen.

"Erhebliches Potenzial"

Zwölf Standorte haben die Niederländer hier mit 250 Mitarbeitern seither in den Bundesländern eröffnet. Sie reüssierten vom ersten Tag an, sagt Action-Vorstandschef Sander van der Laan im Gespräch mit dem STANDARD. Fünf eröffneten seit Jänner, bis Jahresende entstehen weitere, auch der Schritt nach Wien ist geplant. Ziel sei es, das Konzept rasant national auszurollen. "Wir sehen für uns in Österreich erhebliches Potenzial."

Wie der große Rivale Tedi überlässt auch Action nichts dem Zufall. 6000 Artikel bilden das Sortiment, zwei Drittel wechseln regelmäßig. 400 Lieferanten kaufen 60 Prozent davon in Asien, den Rest in Europa ein. Ein Zehntel der Ware organisiert die Kette direkt. Kosmetik von Nivea zählt ebenso dazu wie Schokolade von Milka. Gewildert wird in jeder Branche, ob in jener der Heimwerker, Spielwaren, Textilien oder Haustiere.

95 Prozent der Artikel in Österreich decken sich mit jenen, die in den fünf anderen Märkten vertrieben werden. Dass Handel regionales Business sei, mit dieser Regel bricht van der Laan: "Ein Hammer ist ein Hammer, ob wir ihn nun in Österreich, Deutschland oder den Niederlanden verkaufen."

Eckpfeiler des Diskontmodells seien hochstandardisierte Prozesse, effiziente Logistik und flache Hierarchien. Einkauft werde in großer Menge, bei Marketing spare man, ebenso bei Immobilien. Action lässt sich auf 700 bis 1100 Quadratmetern, meist in B- und C-Lagen abseits der Shoppingcenter und Einkaufsstraßen, nieder. Auf Onlinehandel will das Unternehmen vorläufig verzichten.

Tedi will 200 Filialen

Flächendeckend in Österreichs Billigbranche mitmischen will jedoch auch Stefan Heinig, der einst Takko hochzog, mit Tengelmann Kik gründete und schließlich Tedi auf die Beine stellte. Der Dritte im Bunde dieser Non-Food-Diskonter ist hierzulande nicht bereit, sich die Marktführung in seiner Nische abjagen zu lassen. 750 Mitarbeiter setzten in Österreich 2016 mit 110 Filialen 55 Millionen Euro um.

Weitere zehn Standorte starteten heuer, 200 sollen es langfristig werden, lässt der Konzern auf Anfrage wissen. Die Deutschen arbeiten mit kleineren Flächen als Action, legen aber Wert auf bessere Lagen. Ein Webshop ist in Österreich ebenso wenig geplant.

Mäc Geiz, Schwester von Libro und Pagro, will sich hingegen weiterhin auf Deutschland konzentrieren. Rund 300 Shops betreiben die Österreicher dort und sehen sich in Berlin unter den günstigen Nahversorgern als Platzhirsch. 20 Filialen stoßen jährlich hinzu. "Das Argument des Preises zählt in Deutschland insgesamt mehr als in Österreich", sagt Martin Waldhäusl, der als Chef der Handelsgruppe MTH die Geschicke der drei Vertriebslinien lenkt.

An Nährboden für die Diskonter sieht es Marktforscher und Regiodata-Chef Wolfgang Richter nicht fehlen. "Der Anteil der Bevölkerung, der aufs Geld achten muss, steigt." Viele Geschäftsflächen in Randlagen seien zudem billig zu haben. Langfristig Bestand hätten jedoch nur wenige Betriebstypen, denn auch Kik, Takko und NKD bauten ihren Non-Food-Anteil stetig aus. (Verena Kainrath, 2.9.2017)