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EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovoci bei seiner Konjunkturprognose-Konferenz zu Jahresanfang

Foto: AP / Virgina Mayo

Die letzte Nachricht vom Forum Alpbach war die beste: Die Österreichische Nationalbank hat die Konjunkturprognose für dieses Jahr von 2,2 auf bis zu 2,75 Prozent hinaufgeschraubt. Das kommt nicht überraschend, denn die bessere Wirtschaftslage ist schon seit längerem bemerkbar.

Aber wie sich das Bruttoinlandsprodukt heuer tatsächlich entwickelt, ist jetzt genauso unsicher wie vor ein paar Tagen. Es könnte auch mehr wachsen oder deutlich weniger als jetzt prognostiziert. Konjunkturprognosen sagen viel über die jüngste Vergangenheit und ein wenig über die Gegenwart aus – über die Zukunft aber kaum etwas.

Grundsätzlich weiß man, in welcher Bandbreite das BIP wachsen könnte. Aber ob es sich beschleunigt oder verlangsamt – und daran ist die Öffentlichkeit vor allem interessiert – weiß man einfach nicht.

Schlechter als Wetterfrösche und Meinungsforscher

Meteorologen gelten im Volksmund als unzuverlässig, und nach vielen Wahlen heißt es: Verloren haben die Meinungsforscher. Aber beide Berufsgruppen haben eine höhere Erfolgsrate als Volkswirte. Konjunkturprognosen werden ständig hinauf- und hinunterrevidiert, und wenn sie einmal die Wirtschaftsentwicklung des folgenden Jahres treffen, dann ist es ein Glücksfall. Das gilt für Wirtschaftsforschungsinstitute genauso wie für Notenbanken sowie internationale Organisationen wie EU-Kommission, OECD, IWF und Weltbank.

Das hat mehrere Gründe: Die Konjunktur hängt von zu vielen verschiedenen Faktoren ab – der Binnennachfrage, der Investitionstätigkeit der Unternehmen, jener des öffentlichen Sektors, der Stärke der verschiedenen Exportmärkte, der Zins- und Wechselkursentwicklung, in den USA auch von den Aktienmärkten. Für all das braucht es Schätzungen, die ohnehin meist schwer sind. Aber welcher Faktor dann in einem gewissen Zeitraum überwiegt, ist kaum vorauszusagen.

Dazu kommen ständige unerwartete Ereignisse, die alle Prognosen über den Haufen werfen können: eine Wahl, eine Finanzkrise, eine schwierige Wetterlage, eine Naturkatastrophe oder eine politische Entwicklung in einer wichtigen Volkswirtschaft.

Es menschelt in der Wirtschaft

Und schließlich hat man es in der Wirtschaft, anders als beim Wetter, mit Menschen zu tun. Ob Leute nach einer Steuersenkung mehr konsumieren oder mehr sparen, ob Unternehmer zuversichtlich investieren oder nicht – all das lässt sich kaum voraussagen.

Konjunkturprognosen schreiben daher letztlich die jüngsten Entwicklungen weiter und machen Mutmaßungen über die Zukunft – die einmal stimmen und dann wieder nicht. Wachstumsraten folgen auch keinen stabilen Trends, sondern hupfen auf und ab. Auch das erschwert Voraussagen.

Warum tun das intelligente Experten überhaupt, warum berichten die Medien ständig davon? Es liegt daran, dass Politiker, Banken, Unternehmer und letztlich auch Bürgerinnen und Bürger Erwartungshaltungen brauchen, um Entscheidungen zu treffen. Und da geben einem kluge Prognosen etwas mehr Sicherheit als reine persönliche Vermutungen. Das heißt, trotz bestätigter Erfolglosigkeit wird es auch in Zukunft alle paar Wochen neue Prognosen geben, an die sich alle festklammern.

Der Gang eines Betrunkenen

Noch schlechter als Konjunktur lassen sich übrigens Wechselkurse voraussagen. Wo der Euro-Dollar-Kurs in sechs Monaten oder auch nur morgen liegt, weiß niemand, das ist ein reines Ratespiel. Wechselkurse folgen einem "Random Walk" – einer unberechenbare Schlangenlinie wie von einem Betrunkenen auf der Straße. Und laut vielen Experten gilt das auch für Aktienkurse.

Aber dennoch gibt es ganze Industrien von hochbezahlten Analysten, die genau das Tag für Tag tun. Und Millionen Investoren glauben ihnen und setzen ihr Geld entsprechend ein. Im Vergleich dazu sind Konjunkturprognosen geradezu seriös. (Eric Frey, 3.9.2017)