Zu hart angefasst? Gemeinsam auf Urlaub gewesen? Tarek Leitner, der Moderator der ORF-"Sommergespräche", wird in den politischen Strudel hineingezogen.

Foto: APA/Hochmuth

Im Wahlkampf gerät vieles gleich zum Skandal. Ein Skandal sei, dass Kanzler Christian Kern gemeinsam mit ORF-Moderator Tarek Leitner im Herbst 2016 in Marokko urlaubte – und von diesem nun im ORF-"Sommergespräch" befragt werden soll. Eine Schieflage und ein Verstoß gegen die Objektivität, kritisiert die ÖVP und versucht Leitner dazu zu drängen, die Moderation anzugeben. Dieser Vorwurf scheint so nicht zu stimmen, Kern versichert, nie in Marokko gewesen zu sein, auch Leitner weist das zurück. Aber immerhin waren die Familien von Kern und Leitner mehrfach gemeinsam auf Urlaub, das sei der Schulfreundschaft der Kinder geschuldet gewesen. Das ist längst bekannt, und entweder waren Kern oder Leitner selbst nicht dabei. Dennoch versucht die ÖVP just vor dem ORF-"Sommergespräch" mit dem Kanzler, dem ORF-Moderator daraus einen Strick zu drehen.

Auch das sei ein Skandal, monieren SPÖ und andere Parteien, sie versuchen daraus ein "Dönmez-Gate" zu stricken, schließlich war es Efgani Dönmez, Listenfünfter auf der ÖVP-Bundesliste, der den Vorwurf als Erster ventiliert hatte. Gefordert wird nichts anderes als der Rücktritt von Dönmez.

Der ORF im Griff der Parteien

Der Appell von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, durch Arbeit zu überzeugen, den alten Stil hinter sich zu lassen und den Gegner im Wahlkampf nicht anzupatzen, hat jedenfalls wenig gefruchtet, wenn man sich die Auseinandersetzung um den ORF ansieht. Hier wird ganz gezielt ein ORF-Mitarbeiter in der Öffentlichkeit diskreditiert, um ihm und vor allem der SPÖ zu schaden. Es stimmt schon, dass die Parteien versuchen, den ORF in den Griff zu bekommen – oder ihn im Griff zu halten – und ihren Einfluss dort durchzusetzen, aber daran ist die ÖVP genauso beteiligt wie die SPÖ.

Es gibt etliche Mitarbeiter des ORF, die mehr oder weniger deutlicher einer Partei zuzurechnen sind und denen man das auch anmerkt. Tarek Leitner gehört nicht dazu. Über seine Performance als Moderator der ORF-Sommergespräche kann man streiten, aber Parteilichkeit kann man ihm nicht unterstellen. Ich fand seine Gesprächsführung übrigens gut, ich fand es auch wohltuend, dass er Sebastian Kurz bei dessen Aufsagen seiner bekannten Positionen unterbrochen hatte. Ich weiß, dass viele andere das nicht so sehen. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Die Keule, die die ÖVP jetzt aber gegen den ORF-Journalisten schwingt, ist eindeutig zu groß.

Die Weisung des Ministers

Ein weiterer Skandal, der gerade auf etwas kleinerer Flamme hochgekocht wird, ist die vermeintliche Weisung, die Innenminister Wolfgang Sobotka von der ÖVP im Zuge der Ermittlungen nach einem tragischen Bootsunglück in Kärnten am Wörthersee den ermittelnden Polizeibehörden erteilt habe. Eine solche Weisung ist von einem Polizeibeamten protokolliert worden. Die Kärntner Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß spricht von einem kommunikativen Missverständnis, eine solche Weisung sei nie erteilt worden. Dennoch wird von mehreren Seiten der Rücktritt Sobotkas gefordert, und die SPÖ bemüht sich, die Geschichte am Köcheln zu halten.

Politisch heikle Ermittlungen

Die Ermittlungen zu dem Bootsunfall, bei dem Anfang Juni ein 44-Jähriger ums Leben kam, sind politisch heikel. Gelenkt hatte das Boot ein ehemaliger Medienmanager, der ein ausgesprochenes Naheverhältnis zur ÖVP hat. Er wird von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt, ermittelt wird wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung. Der Bootslenker war zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert. Das Medienrecht verbietet es, den Namen des Mannes zu nennen. Obwohl die Medien wissen, um wen es sich handelt, haben sich bisher alle daran gehalten. Und das ist gut so. Der Vorfall ist tragisch, steht aber in keinerlei Zusammenhang mit irgendeiner beruflichen oder politischen Tätigkeit, der betroffene Unfalllenker ist mittlerweile in der Privatwirtschaft tätig.

Die Last des Geschehenen

Sollte es tatsächlich eine Weisung von Innenminister Sobotka, der mit dem Unfalllenker gut bekannt ist, gegeben haben, welche auch immer das gewesen sein mag, erhält der Fall allerdings eine politische Dimension. Ungeachtet der Person des Unfalllenkers gehört ein allfälliger Eingriff der Politik in die Ermittlungen aufgeklärt, muss dieser Vorgang öffentlich gemacht werden und gegebenenfalls Konsequenzen nach sich ziehen. Der SPÖ kann man nur raten, sich an Tatsachen und belegte Vorgänge zu halten und dieses Unglück nicht zu Wahlkampfzwecken auszuschlachten.

Über Schuld oder Unschuld des Unfalllenkers muss ein Gericht entscheiden, die Last des Geschehenen kann ihm ohnedies niemand abnehmen. (Michael Völker, 3.9.2017)