Dirigiert das wohl wienerischste US-Orchester: Manfred Honeck.

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Grafenegg – Es waren einmal zwei Brüder, die in der Vorarlberger Ortschaft Nenzing aufwuchsen. Die Mutter starb früh; der Vater, ein Postangestellter, zog mit ihnen und ihren sieben Geschwistern nach Wien, um den musikalisch begabten Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Das mit der Ausbildung gelang auch aufgrund des Talents und der Strebsamkeit der Brüder ganz vorzüglich: Der eine avancierte (bereits vor 25 Jahren) zum Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, und aus dem anderen wurde – über einen Umweg als Bratschist bei den Philharmonikern – ein international gefragter Dirigent.

Nun musizierten Rainer Honeck, der Geiger, und Manfred Honeck, der Dirigent, zusammen beim Grafenegg-Festival. Letzterer leitet seit 2008 als Musikdirektor die künstlerischen Geschicke des Pittsburgh Symphony Orchestra und ist mit seinem Orchester immer wieder ein gern gehörter Gast bei Rudolf Buchbinders Musikfest im Grünen. Nach einem eher enttäuschenden Eröffnungsstück – John Adams’ einstiges Geburtstagsgeschenk für Simon Rattle, Lollapalooza, wurde gleichzeitig laut und lasch gespielt – wurde bei Mozarts G-Dur Violinkonzert KV 216 in brüderlicher Eintracht und himmlischer Harmonie musiziert.

Feingliedrig und elastisch die Orchestereinleitung des ersten Satzes, erfrischend der Dialog von Solist und Orchester im Durchführungsteil. Rainer Honeck nahm seinen intensiven, satten, vibratoreichen Ton immer wieder zu einer wundervollen Schlichtheit zurück; berührend etwa die Kadenz im Mittelsatz. Im Rondeau-Satz wechselte bäuerliche Vitalität mit höfischer Eleganz.

Zum großen Kunststück des Abends wurde dann Mahlers erste Symphonie. Manfred Honecks so entspannte wie detailgenaue und intensive Darstellung von Mahlers Kosmos war aufgespannt zwischen filigraner Zartheit und kolossaler Pracht, kurzes Aufblitzen greller Dämonie inklusive. Kaum mehr als eine flirrende Ahnung war der – vom Publikum zerhustete – Beginn des Werks. Breitbeinig und robust, platzend vor Kraft der Anfang des scherzoartigen zweiten Satzes.

Stimmungspräzise die parodistischen Einsprengsel von Volksmusikalischem im dritten Satz; wie aus einer anderen Welt, von sphärischer Lichtheit die Lindenbaum-Stelle. Überwältigend die Tumulte zu Beginn des Final satzes, großartig die Steigerungen zum Choral-Hymnus. Die Streicher des Pittsburgh Symphony verfügen über eine bemerkenswerte Zartheit im Lyrischen, das Blech beeindruckt mit dieser amerikanischen körperlichen Direktheit und Wucht. Gleichzeitig machen die Geschmeidigkeit und die Elastizität, mit der die Musiker Honecks Fingerzeigen folgen, das Pittsburgh Symphony Orchestra wohl zum wienerischsten der sonst eher hüftsteifen US-amerikanischen Orchester. Chapeau.

Das Publikum im Auditorium zeigte sich begeistert und erklatschte sich zwei Zugaben: die sanft dahersurrende Libelle von Josef Strauss und die energiegeladene Furioso Polka von Johann Strauss Sohn. (sten, 3.9.2017)