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Südafrikas Expräsident Thabo Mbeki, Ex-US-Außenminister John Kerry und Senegals Expremierministerin Aminata Touré (von links) müssen Fehler bei der Wahlbeobachtung in Kenia erklären.

Foto: Reuters / Thomas Mukoya

Nairobi/Wien – Es wird wieder zurückgerudert. Noch direkt nach Kenias großem Präsidentenwahltag am 8. August hatten die rund 5000 im Land anwesenden internationalen Beobachter nur Lob für den Prozess übrig gehabt. Allen voran Ex-US-Außenminister John Kerry: Kenia habe trotz "kleinerer Abweichungen" der Welt "den Charakter seiner Demokratie bewiesen", teilte er mit, das Votum sei frei und fair abgelaufen. Ghanas Expräsident John Mahama sagte gar, das Land habe das Potenzial gezeigt, "Afrikas beeindruckendste Demokratie" zu sein.

Davon ist nun keine Rede mehr. Das Geschäftsmodell der Wahlbeobachter ist in eine tiefe Krise gerutscht, seitdem Kenias Höchstgericht am Freitag überraschend eine Wahlwiederholung anordnete, weil das Votum aus Sicht der Richter nicht den Standards der kenianischen Verfassung entsprochen habe.

Ungereimtheiten bei einem Drittel der Stimmen

Bei fünf von rund 15 Millionen abgegebenen Stimmen habe es Ungereimtheiten gegeben, so das Gericht – Zahlen des elektronischen Wahlsystems würden nicht mit handschriftlichen Aufzeichnungen übereinstimmen, mehrfach seien unbekannte Hacker in das System der Wahlkommission eingedrungen.

Teils seien auch handschriftliche Aufzeichnungen verschwunden, wegen massiver IT-Probleme wurden Ergebnisse aus manchen Regionen nur via SMS übermittelt. Weil es sich bei den in Zweifel stehenden Stimmen um viel mehr handle als jene 1,5 Millionen, die den Abstand des zum Sieger erklärten Präsidenten Uhuru Kenyatta (54 Prozent) zu seinem schärfsten Verfolger und Rivalen Raila Odinga (44 Prozent) ausmachen, habe man Odingas Antrag auf Annullierung der Wahl stattgegeben.

Im Sinne der Regierung

Seither fragt man sich, wie die zahlreichen renommierten Beobachter zu einem Urteil kommen konnten, das sich derart vom Spruch des kenianischen Höchstgerichts unterscheidet.

Wenig überraschend sind es vor allem Anhänger der kenianischen Opposition, die den Beobachtern vorwerfen, im Sinne des regierenden Kenyatta beide Augen zugedrückt zu haben. "Einige von ihnen haben große Namen, aber was das Geschäft der Wahlbeobachtung betrifft, haben sie nichts anzubieten", sagte etwa ein Sprecher von Odingas Wahlbündnis Nasa, James Orengo, der kenianischen Zeitung "The Nation". Odinga selbst hatte schon zuvor den Vorwurf erhoben, die ausländischen Gäste hätten "schnell gehandelt, um Betrug weißzuwaschen".

Die Beobachtermissionen des Commonwealth und der EU rechtfertigten sich am Freitag mit dem Argument, dass sich die Ungereimtheiten nicht auf die Stimmabgabe bezogen hätten, sondern auf die Auszählung. Über deren Rechtmäßigkeit habe man aber nie geurteilt. Das renommierte Carter Center aus den USA, für das auch Kerry in Kenia war, teilte mit, man habe in der Beurteilung ohnehin darauf hingewiesen, dass es bei der Auszählung Probleme gegeben habe.

Schon vor der Wahl viele unbeantwortete Fragen

Als hinreichend werden die Erklärungsversuche von vielen in Kenia nicht empfunden. Immerhin hatte es schon vor der Wahl viele unbeantwortete Fragen gegeben, insbesondere nach dem ungeklärten Mord an Chris Msando, dem IT-Spezialisten, der bei der Wahlkommission Ibec für das Computersystem zuständig war. Auch unterschied sich das Resultat von Umfragen, die ein knappes Rennen vorausgesagt hatten.

Im Raum steht der Verdacht, dass es den Beobachtern weniger um faire Wahlen gegangen sein könnte als um eine Vermeidung von Gewalt. 2007 brachen nach einem knappen Wahlresultat Unruhen aus, bei denen über tausend Menschen getötet wurden.

Beobachterin: "Sie behandeln uns wie Kinder"

Dem Ruf der Besucher hilft das freilich nicht. "Die Menschen sind verletzt, weil sich die Beobachter für die Wahl keine Mühe gemacht haben", sagt etwa der Antikorruptionsaktivist John Githongo der Zeitschrift "Foreign Policy". "Sie glauben, die Diplomaten hätten sich hier ein paar schöne Tage gemacht."

Tiefere Wunden spricht Muthoni Wanyeki an. Die Chefin der Open Society Foundation für Ostafrika, die von France 24 befragt wurde, findet "die ganze Art der Beobachter herablassend, sie hat neokolonialistische Züge. Sie behandeln uns wie Kinder, wenn sie sagen, dass die Dinge immerhin besser werden. Wir leben im Jetzt und haben jetzt ein Recht auf faire Wahlen". Sie fordert, sich künftig auf die Auszählung zu konzentrieren – "aber dafür fehlen die Ressourcen". (Manuel Escher, 3.9.2017)