Drei Wochen vor der Bundestagswahl widmet sich Kanzlerin Merkel den Kommunen, in denen die Luft besonders schmutzig ist. Die Opposition warnt schon vor einer "Show-Veranstaltung".

Foto: apa/Jan Woitas

Berlin – Der Mobilitätsfonds für die deutschen Kommunen wird auf eine Milliarde Euro aufgestockt. Dazu habe sich der Bund auf dem Gipfel mit Vertretern von Kommunen und Ländern bereit erklärt, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Mit dem Geld sollen von Stickoxid-Emissionen stark betroffene Kommunen die Infrastruktur für E-Mobilität verbessern und öffentliche Nahverkehrsangebote attraktiver machen.

Vier Wochen nach einem ersten Dieselgipfel mit der Autoindustrie sollte es am Montag um stärkere kommunale Aktivitäten gehen. Dazu gehören zum Beispiel eine Umstellung von Bussen und Müllwagen auf alternative Antriebe sowie bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr und für Radfahrer.

Mehrere Städte forderten eine stärkere finanzielle Unterstützung des Bundes. Ziel ist es, gerichtlich erzwungene Fahrverbote zu verhindern. An dem Treffen im Kanzleramt nehmen auch mehrere Ministerpräsidenten und Bundesminister teil. Vertreter der Autoindustrie waren – anders als beim Dieselgipfel Anfang August – diesmal nicht eingeladen.

Investitionen für die Kommunen

Das Treffen zum Thema Dieselabgase hilft nach Einschätzung von Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt nicht gegen Fahrverbote. "Was hier beschlossen wird, sind Investitionen für die Kommunen. Die sind mittelfristig, die sind langfristig, die werden kein Fahrverbot verhindern."

Nötig seien kurzfristige Nachrüstungen von Diesel-Pkw, die verbindlich und nachprüfbar sein müssten, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Deutschen Bundestag am Montag vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.

Grünen-Chef Cem Özdemir macht den Ausstieg aus der Nutzung des Verbrennungsmotors weiter zur Bedingung für eine mögliche Regierungsbeteiligung seiner Partei nach der deutschen Bundestagswahl. "Ohne dass wir den Einstieg in den Ausstieg aus emissionsbetriebener Mobilität machen, können wir nicht in eine Koalition gehen", sagte er am Montag auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg.

Zankapfel Verbrennungsmotoren

Jüngst hatte CSU-Chef Horst Seehofer signalisiert, dass er sich unter anderem wegen des Streits um die Zukunft der Verbrennungsmotoren keine Koalition mit den Grünen vorstellen könne. "Horst Seehofer redet viel, wenn der Tag lang ist. Er schafft es ja auch, an einem Tag drei verschiedene Positionen zum Thema Obergrenze zu sagen", erklärte Özdemir.

Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte vor dem Spitzengespräch konkrete Ergebnisse. "Es darf kein Showtermin werden, dazu ist das Thema zu wichtig", sagte sie der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom Montag. Sie finde es gut, dass sich jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) des Themas annehme, fügte Hendricks hinzu.

"Showveranstaltung ohne Mehrwert"

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warnte mit Blick auf das Treffen vor einer "Showveranstaltung ohne Mehrwert". Die dort anvisierten Maßnahmen würden erst in den nächsten zwei bis fünf Jahren greifen und brächten somit nichts gegen drohende Fahrverbote.

Merkel sagte am Sonntagabend im TV-Duell, Umweltvorschriften müssten eingehalten werden. Diese Probleme würde es indes auch geben, wenn es den "Vertrauensbruch" des Abgasskandals nicht gegeben hätte. Die Branche müsse diesen Schaden wiedergutmachen. Andererseits müssten aber auch die Arbeitsplätze sicher bleiben und der Wandel zu modernen Antriebstechnologien stattfinden können. Die Kanzlerin betonte, dass "wir noch Jahrzehnte Verbrennungsmotoren brauchen werden".

Schulz sagte, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, von denen etwa Handwerker stark getroffen würden, müssten vermieden werden. Er forderte erneut die Einführung von Musterklagen, mit denen Verbraucher in solchen Fällen mit vielen Betroffenen bessere Rechte bekämen. Auch Merkel befürwortete "im Grundsatz" solche neuen Klagerechte.

Dieselanteil bei Neuwagen eingebrochen

Aufgrund der Debatte um mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, ist der Anteil dieser Fahrzeuge in Deutschland weiter eingebrochen. Der Anteil der Selbstzünder an den Neuzulassungen im August ging von 45,3 Prozent vor einem Jahr auf nun 37,7 Prozent zurück, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) am Montag in Flensburg mitteilte.

Insgesamt wurden jedoch im abgelaufenen Monat mit 253 679 Pkw 3,5 Prozent mehr Fahrzeuge neu zugelassen als vor einem Jahr, was auch an einem kräftigen Plus bei den Stadtgeländewagen (SUV) lag. Nach acht Monaten liegt der deutsche Markt bei den Pkw-Neuzulassungen mit 2,9 Prozent im Plus.

Deutlich zulegen konnten im August die Oberklasse-Hersteller Mercedes-Benz und BMW, von deren Hauptmarken 7,5 und 6,7 Prozent mehr Autos zugelassen wurden. Die VW-Kernmarke musste dagegen mit minus 10,9 Prozent einen weiteren Dämpfer hinnehmen. Während es auch bei der Sport- und Geländewagen-Tochter Porsche einen Rückgang gab und Audi knapp im Plus landete, zogen die Neuzulassungen der VW-Töchter Seat und Skoda prozentual zweistellig an. (APA, 4.9.2017)