Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz am Sonntag Abend war die einzige TV-Konfrontation der zwei Kontrahenten.

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Der türkische Minister für europäische Angelegenheiten, Omer Celik, reagiert empört darüber, dass Gespräche über den Abbruch der Beitrittsverhandlungen geführt werden sollen. Hier ist er bei einer Pressekonferenz in Ankara Mitte August zu sehen.

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Berlin/Ankara – Die Debatte über einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei hat die Spannungen zwischen den Regierungen in Berlin und Ankara weiter erhöht. Die türkische Regierung reagierte am Montag empört auf die Festlegungen von Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, über einen Abbruch der Verhandlungen zu reden. "Sie bauen eine Berliner Mauer mit den Steinen des Populismus", sagte der türkische Minister für die Beziehungen zur Europäischen Union, Ömer Celik.

Hintergrund sind die Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im TV-Duell, dass sie die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden wollen. Merkel und Schulz hatten am Sonntag knapp zehn der 97 Minuten des TV-Duells über die Türkei gesprochen. Die Kanzlerin hatte angekündigt, sie wolle mit den EU-Kollegen "noch einmal reden, ob wir zu einer gemeinsamen Position kommen können und diese Beitrittsverhandlungen auch beenden können".

Der ORF-Korrespondent betrachtet die Bundestagswahl bereits als entschieden. Ausschlaggebend dafür seien die ähnlichen Positionen von Schulz und Merkel, so Andreas Jölli.
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Erdoğan-Sprecher wirft Deutschen Populismus vor

Auch der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Atyyip Erdoğan warf deutschen Politikern Populismus vor. "Die Attacken Deutschlands und Europas auf die Türkei und Erdoğan, die die essenziellen und dringenden Probleme ignorieren, zeigen, wie sich ihr Horizont verengt", twitterte Ibrahim Kalin. Es sei kein Zufall, dass Erdoğan Hauptthema des TV-Duells zwischen Merkel und Schulz gewesen sei. Er hoffe, dass sich die Beziehungen zu Deutschland nach der Bundestagswahl am 24. September wieder verbesserten.

Ein Sprecher der EU-Kommission betonte, dass die Entscheidung nur von den Mitgliedstaaten getroffen werden könne. Zugleich wiederholte er ein Zitat von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der vergangene Woche gesagt hatte: "Die Türkei bewegt sich in Riesenschritten weg von Europa, und das macht einen EU-Beitritt der Türkei unmöglich."

Berlin: Entscheidung erst nach der Wahl

Vor der Bundestagswahl werde allerdings nach Angaben vom deutschen Regierungssprecher Steffen Seibert keine Entscheidung mehr über den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei fallen.

Derzeit ruhten die Verhandlungen ohnehin, und vor der Bundestagswahl gebe es keinen europäischen Rat mehr, sagte Seibert am Montag in Berlin. "Also steht das Thema überhaupt erst nach der Bundestagswahl zur Debatte." Im Oktober werde man dann beraten, ob man auch die Beitrittsverhandlungen beenden sollte.

Streitthema Türkei in der großen Koalition

Der Umgang mit der Türkei ist durch die Schulz-Festlegung im TV-Duell auch ein Streitthema in der großen Koalition und der SPD geworden. Merkel sagte im TV-Duell, dass sie sich in einem Gespräch mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Freitag noch einig gewesen sei, diesen Schritt der Beendigung der Beitrittsverhandlungen nicht zu gehen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Montag dagegen: "Der Außenminister teilt die Position von Herrn Schulz." Merkels Sprecher Seibert betonte daraufhin: Wenn die Sozialdemokraten ihre Position veränderten, werde dies zu weiteren Gesprächen führen.

Einer der festgenommenen Deutschen in Türkei ist wieder frei

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes teilte zudem mit, dass die Türkei einen der beiden vergangenen Donnerstag in Antalya festgenommenen deutschen Staatsbürger ohne Auflagen wieder freigelassen habe. Details nannte er nicht. Deutsche Diplomaten hätten aber immer noch keinen Zugang zu dem anderen Inhaftierten, sagte der Sprecher. Die Bundesregierung könne die Informationen nicht bestätigen, dass die beiden Personen auch türkische Staatsbürger seien.

Die Bundesregierung hatte die unter dem Verdacht des Kontakts zu einer Terrororganisation erfolgten Festnahmen scharf verurteilt und weitere Konsequenzen angekündigt. Es befinden sich nun noch elf Deutsche unter dem Vorwurf des Terrorverdachts in türkischer Haft. (Reuters, APA, 4.9.2017)