Soll der konfessionelle Religionsunterricht aus öffentlichen Schulen verbannt werden, wie das Alfred Noll in einem STANDARD-Interview fordert? Ich bin wie er für eine Trennung von Staat und Religion, für Aufklärung und für eine säkulare Erziehung. Ich bin aber gegen die Verbannung von Religionen aus der Schule und trete für einen staatlich organisierten und verpflichtenden Ethik- und Religionenunterricht ein. Der jetzige konfessionelle Religionsunterricht soll auf freiwilliger Basis erhalten bleiben. Aus guten Gründen.

Im islamischen Bereich finden Unterweisungen dann in Sonntags- und Koranschulen statt, im christlichen Bereich übernehmen das "Sonntagsschulen". Das führt selbst innerhalb von Religionsgesellschaften zu weiterer Segregation. Das ist bei den unterschiedlichen Koranschulen für türkische, afghanische, syrische, iranische und bosnische Muslime der Fall. Genauso aber bestünde auch bei christlichen Konfessionen die Gefahr der Absonderung und der Radikalisierung. Dafür stehen etwa Einrichtungen der reaktionären Piusbruderschaft oder des fundamentalistischen Opus Dei. Ein Religionsunterricht in der Schule auf freiwilliger Basis ermöglicht ein notwendiges Maß an gesellschaftlicher und staatlicher Kontrolle.

Es braucht aber mehr als den konfessionellen Unterricht. Wir leben in einer multi- und nichtreligiösen Gesellschaft. Ihr fehlt zunehmend der gesellschaftliche Kitt. Schule hat – auch – die Aufgabe, jungen Menschen "gemeinsame Werte" und Werthaltungen zu vermitteln. Der jetzige Religionsunterricht leistet genau das nur zum Teil, weil er Kinder nach ihrem Glaubensbekenntnis separiert, statt die dringend notwendige gemeinsame Diskussion über die Stellung der Frau, Glaubensfreiheit, Homosexualität, Todesstrafe zu führen. Der – gute – konfessionelle Religionsunterricht kann das nur eingeschränkt für die "eigenen" Kinder leisten.

Wer aber diesen konfessionellen Religionsunterricht völlig aus den Schulen verbannt, fördert ungewollt Hinterhofmoscheen und andere extreme Organisationen und Einrichtungen. Sie existieren schon jetzt, sind völlig außerhalb jeder gesellschaftlichen und öffentlichen Kontrolle und würden verstärkt Zulauf erhalten.

Angesichts der Pluralität unserer Gesellschaft wird die Auseinandersetzung mit verbindlichen Grundwerten immer wichtiger. Eine fundierte Beschäftigung mit den Grundlagen unserer Kultur und Gesellschaft, speziell auch mit den verschiedenen Religionen, ist deshalb unerlässlich. Sie sollen in der Schule daher Platz haben, aber nicht dominant sein. (Harald Walser, 4.9.2017)