Anhänger lauschen in Baalbek der Rede von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am vorigen Donnerstag.

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Beirut/Wien – Mit den Erfolgen der US-gestützten Milizen gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Raqqa und der syrischen Regimearmee in Zentralsyrien (Palmyra) und im Osten (Deir al-Zor) rückt die Nachkriegszeit in Syrien ein Stück näher: Der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, rechnet damit, dass die IS-Hochburgen bis Ende Oktober allesamt gefallen sein werden.

Laut Mistura sollte dann der politische Prozess beginnen, der nach einem Jahr zu Wahlen in Syrien führen sollte. Der syrischen Opposition wird von ihren internationalen Gesprächspartnern immer öfter und deutlicher beschieden, dass sie mit dem syrischen Regime unter Bashar al-Assad zusammenarbeiten müssen wird, will sie im Spiel bleiben.

In Einflusszonen geteilt

Bevor Syrien jedoch wieder zusammenwächst, ist es in Einflusszonen geteilt – und wer weiß, auf wie lange. Mit dem Regime gehören dessen Verbündete Iran und die libanesische Hisbollah zu den Gewinnern. Zum Unbehagen Israels: Auch beim US-russisch-jordanischen Arrangement für eine "Deeskalationszone" in Südsyrien wurde nach israelischer Ansicht der Aspekt, dass Iran und Hisbollah ihre Präsenz konsolidieren könnten, nicht genügend beachtet. Die sunnitischen Extremisten an der syrisch-israelischen Grenze verschwinden – aber durch wen werden sie ersetzt?

Mit der Rolle der mit dem Iran verbündeten schiitischen Hizbollah im Nachkriegssyrien hat auch die jüngste Auseinandersetzung im Uno-Sicherheitsrat über das Mandat der Uno-Mission im Libanon, der Unifil (UN Interim Force in Lebanon), zu tun. Im Südlibanon, wo die Unifil seit 1978 unter wechselnden Bedingungen stationiert ist, ist es heute ruhig – aber es handelt sich um einen mit Syrien verbundenen Schauplatz insofern, als dort, laut Israel, die Hisbollah ihre Aufrüstung betreibt.

Israel und der Libanon haben keinerlei Interesse an einer von der Hisbollah ausgelösten kriegerischen Eskalation wie im Jahr 2006. Aber Israel hat die Hisbollah im Verlauf der vergangenen Jahre mehrere Male in Syrien angegriffen, mutmaßlich, wenn diese in Besitz von neuer Waffentechnologie kommen sollte.

Robustes Mandat

Das Mandat der mehr als 10.000 Mann starken und von 41 Ländern beschickten Unifil wird jährlich verlängert. Im Vorfeld gibt es immer wieder die Forderung, die Mission möge ihr "robustes Mandat" aggressiver benützen. Diesmal kam jedoch von den USA der Versuch im Uno-Sicherheitsrat, das Mandat neu formulieren zu lassen – in dem Sinn, dass die Unifil quasi aktiv nach Waffen der Hisbollah suchen sollte.

Das sehen die an der Unifil beteiligten Staaten, wozu auch Österreich mit 184 Mann gehört, sowie der Libanon selbst mit Skepsis: Die Ruhe im Südlibanon ist nicht zuletzt dem guten Verhältnis zur Bevölkerung geschuldet. Frankreich, ebenfalls Unifil-Truppensteller, wies auf das "delikate Gleichgewicht" hin. Auch Italien, mit über 1000 Mann zweitgrößter Truppensteller nach Indonesien, war gegen eine Änderung.

Im Sicherheitsrat wurde der US-Vorstoß abgelehnt – letztlich einigte man sich vergangene Woche auf eine von den Franzosen vorgelegte Resolution, die bei gleichbleibendem Mandat in einigen Formulierungen die Aufgabe der Unifil unterstreicht: Sie solle "alle nötigen Handlungen" setzen, damit das von ihr überwachte Gebiet nicht "für feindliche Aktionen benützt" werde. Ebenfalls betont wurde die Berichtspflicht, etwa über Hisbollah-Checkpoints und Ähnliches. Laut Berichten der israelischen Tageszeitung Haaretz verhinderte Sicherheitsratsmitglied Russland – Protektor Assads in Syrien und damit mit Hisbollah und Iran verbündet –, dass die Hisbollah im Text genannt wird.

Die diplomatische Auseinandersetzung wollen aber alle gewonnen haben: Die Hisbollah bedankte sich beim libanesischen Außenminister Gebran Bassil – Schwiegersohn des libanesischen Präsidenten von der Hisbollah Gnaden, Michel Aoun – dafür, dass er den US-Versuch blockiert habe. Aber auch der israelische Botschafter bei der Uno in New York, Danny Danon, nannte Resolution 2373 einen "Sieg".

Gesichtswahrung für Haley

Unter Diplomaten überwiegt jedoch die Meinung, dass bei dem Lob das Bemühen mitschwingt, Donald Trumps Vertreterin bei der Uno, Nikki Haley, bei der Gesichtswahrung beizustehen. In sehr ungewöhnlicher Weise hatte Haley den irischen Kommandanten der Unifil, General Michael Beary, attackiert: Er zeige einen "peinlichen Mangel an Verständnis" für die Problematik. Beary hatte gesagt, es gebe keine Beweise dafür, dass die Hisbollah Waffenlager anlege. In dieser Woche beginnen in Nordisrael groß angelegte Manöver, die deutlich an die Adresse der Hisbollah gerichtet sind. (Gudrun Harrer, 5.9.2017)