Auch traditionsbewusste Unternehmen wie Frisörsalons können von der Digitalisierung profitieren.

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Wien – Der Mitbewerber sitzt im fernen Osten, nicht im Nachbardorf. Damit fasst Alfred Harl von der Wirtschaftskammer (WKO) die Herausforderung durch Digitalisierung für Österreichs Klein- und Mittelbetriebe (KMU) zusammen. Österreichs Wirtschaft ist bei innovativen Technologien im internationalen Vergleich zwar gut aufgestellt, zählt aber nicht zu den führenden Ländern in Europa. Die Mehrheit der heimischen KMUs hat noch Aufholbedarf bei der Digitalisierung, wie eine am Montag in Wien präsentierte Studie im Auftrag der WKO zeigt.

Neuling bis Champion

Insgesamt wurden 1700 Firmen über den Digitalisierungsgrad ihrer Produkte und Dienstleistungen sowie beim Betriebsablauf und in der Kultur am Arbeitsplatz befragt. Daraus ergibt sich eine Skala vom digitalen Neuling bis zum Champion. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ein Friseur, der keine Homepage hat und alle Termine nur über eine Festnetzleitung entgegennimmt, wäre demnach ein Neuling. Wer mit seinen Kunden online interagiert, auf Buchungsplattformen ebenso wie auf Social Media präsent ist und Mitarbeiter mit Mobiltelefonen ausrüstet, schneidet besser ab.

Zu wenig Know-how

Fazit der Studie: Das Bewusstsein über die digitale Transformation sämtlicher Geschäftsfelder ist vorhanden. Fehlendes Know-how im IT-Bereich und mangelnde Information halten Firmen aber davon ab, an der Digitalisierung stärker teilzunehmen. Große Unternehmen und jene, die vor allem Geschäftskunden haben, sind weiter als kleinere Unternehmen und jene mit Privatkunden. Abgesehen von der Informationsbranche schneidet der Tourismus am besten ab. Am wenigsten ist die Digitalisierung im Gewerbe und im Handwerk vorangeschritten.

Zwei Drittel der befragten KMUs sehen in der Digitalisierung eine Chance, neue Kunden zu gewinnen, die Hälfte setzt auf Kostenersparnisse. Trotzdem haben mehr als 30 Prozent der Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen noch nicht angepasst. Vier von fünf KMUs befürchten außerdem, dass Digitalisierung einen Abbau von Arbeitsplätzen bringt. Der Pessimismus ist umso größer, je niedriger der eigene Technologisierungsgrad ausgeprägt ist.

Digitale Fortbildung

Ab Herbst 2017 will die WKO landesweit bei Veranstaltungen zum Thema Digitalisierung informieren. Wichtig sei außerdem, verstärkt IT-Skills in die Lehrpläne für Fachkräfte zu integrieren, sagt Sonja Zwazl, Präsidentin der WKO Niederösterreich. Ein neuer akademischer Lehrgang "Digitale Unternehmenstransformation" richtet sich gezielt an KMUs.

Um das Thema kommt letztlich niemand mehr herum. Heutzutage erfordern sogar körperliche Jobs, wie jener des Spediteurs, einen gewissen Umgang mit Software – vom Scanner bis zum Programm, das die optimale Beladung vorgibt, nennt Sophia Pipke vom Consultant Arthur D. Little und Koautorin der Studie als Beispiel.

Letztlich muss jedes Unternehmen aber selbst Potenziale für Digitalisierung finden, erklärt Alexander Keßler von der WU Wien. Good-Practice-Beispiele sind für KMUs besonders wertvoll, die von den digitalen Möglichkeiten überwältigt sind.

Mangelhafte Infrastruktur

Die digitale Infrastruktur in Österreich ist auch ein Defizit, warnen Branchenvertreter. Waren wir bei der 3G-Technologie noch führend, sind wir seither deutlich zurückgefallen, bemängelt Jan Trionow, Chef von Hutchinson Drei Austria. Die letzte Vergabe von Frequenzen sei eine Katastrophe gewesen und habe zwei Milliarden aus der Telekom-Branche abgesaugt, die für Investitionen fehlen.

Für die kommende Vergabe der 5G-Lizenzen erhofft sich Trionow günstigere gesetzliche Rahmenbedingungen. Die notwendigen Beschlüsse wären noch vor den Neuwahlen möglich. (Leopold Stefan, 4.9.2017)