Noch vor wenigen Jahren krähte kaum ein Hahn nach Keramik. Mittlerweile sind Töpferwaren und Porzellan mit Handschrift heiß begehrt. Wir besuchten vier heimische Keramikkünstler in ihren Ateliers und sprachen über Elefanten im Porzellanladen, Brad Pitt und den Zauber, der Keramik innewohnt

Matthias Kaiser und sein Ofen im steirischen Grafendorf. Seine Objekte sind in Galerien von Australien bis Oslo gefragt.
Foto: Nathan Murrell

Eigentlich wollte ich Musiker werden. Deswegen bin ich Ende der 1980er-Jahre nach New York ausgewandert. Irgendwann kam ich dort zufällig an einem Stand auf der Straße vorbei, wo Töpfer aus Pennsylvania ihre Objekte ausstellten. Ich kann mich sehr gut an die Becher und Krüge erinnern. Einer von ihnen hatte Tupfen. Die Arbeit dieser Leute hat mich ungeheuer fasziniert.

So sehr, dass ich spaßeshalber einen Töpferkurs belegte, was mich allerdings so stark in den Bann zog, dass ich beschloss, Produktdesign mit Schwerpunkt Keramik zu studieren. Das war an der Parsons School of Design in New York. So wurde ich also Designer statt Musiker und lebe wieder in Österreich.

Zum Töpfermeister nach Japan

Schon bald wurde mir klar, dass die tollsten Dinge in Sachen Keramik aus Fernost kommen, aus Korea, China und Japan. Über Umwege und Glück kam ich schon in meiner Anfangszeit als Keramiker zu einem Töpfermeister nach Japan. Ein halbes Jahr, bevor ich zu ihm reiste, habe ich wie der Wahnsinnige Japanisch gelernt. Die Zeit bei diesem Meister hat mir endgültig die Augen geöffnet und einen anderen Blick auf die Töpferei geschenkt.

Nämlich den, dass jeder Aspekt des Arbeitsprozesses eine sichtbare Rolle spielen darf, dass man sich selbst nicht verstecken muss, dass einfach alles an einem Stück ablesbar sein darf. Es ist mit einer eigenen Sprache vergleichbar. Durch sie wird der Schaffensprozess zu einer Art Geschichte. Das Wunderbare an Keramik ist, dass man von null weg Dinge aus einer amorphen Masse kreiert und dabei einfach alle Gestaltungsmöglichkeiten hat.

Inzwischen war ich bestimmt schon achtmal in Japan, um bei Kollegen zu arbeiten und dort auch auszustellen. Und natürlich zu lernen. Apropos Lernen: Im Rahmen meines Projekts "Loyal Exports" verkaufe ich besondere Stücke von mir auf einem Markt in einem anderen Land um einen Euro. Bisher habe ich das in Indien und in Afrika getan. Dabei geht es mir um eine Art Dokumentation und darum zu studieren, wie die Menschen mit meinen Objekten umgehen, denn ich besuche die Kunden mit einem Fotografen zu Hause und schaue mir an, was sie mit meinen Dingen so anstellen.

Matthias Kaiser: "Meine Formen sind zum Teil sehr extrem und ein schöner Kontrast zum Archaischen, das dem Material innewohnt."
Fotos: Jens Preusse

Keine Symmetrie

Meine Formen sind zum Teil sehr extrem und ein schöner Kontrast zum Archaischen, das dem Material innewohnt. Bis heute habe ich bestimmt zehntausende Objekte geschaffen. Das Wichtigste ist für mich, dass die Dinge Charakter zeigen, eigenständig sind.

Der Charakter ergibt sich aus der Summe der Erfahrung, die ich sammeln durfte, den Materialien und den Zitaten, die in die Stücke gelegt werden. Messbare Parameter wie Gewicht, Symmetrie etc. spielen für mich keine Rolle. Solche Dinge lassen sich in einer Fabrik besser herstellen. Ich sehe mich als Töpfer, und ein Töpfer ist ein Handwerker, ist ein Designer und ein Künstler, denn er lässt sich Dinge einfallen und produziert sie mit seinen eigenen Händen. Letzterer Punkt hebt ihn auch vom Produktdesigner ab.

Keramik ist viel sichtbarer geworden

Ich arbeite jeden Tag der Woche, oft bis Mitternacht. Zu mir kommen Leute aus ganz Europa, Indien, Japan, China, Australien, den USA usw. Meine Kunden sind Händler, Galerien, aber auch Künstler, Innenarchitekten und Restaurants wie zum Beispiel das Mochi in Wien.

Dabei ist es gar nicht leicht zu beantworten, wo dieser momentane Keramikboom seinen Ursprung hat. In Europa hat sich zuvor ja kaum jemand für Keramik interessiert. Mittlerweile ist die Keramik viel sichtbarer geworden. Was das Geschäft betrifft, ist das natürlich gut. Andererseits kommt man viel weniger dazu, künstlerisch weiterzuarbeiten, da man permanent in der Produktion hängt.

Ich denke, dass Keramik dieses Level halten wird, denn bei diesem Boom handelt es sich um eine Art von Fortschritt, und den kann man kaum zurückdrehen. Warum es bis heute kein Keramikobjekt zu etwas so Ikonischem wie ein Möbel von Eames geschafft hat, ist schwer zu beantworten. Blickt man nach Fernost, schaut es ganz anders aus. Dort gibt es berühmte Stücke.

Was Europa betrifft, ist wahrscheinlich Lucie Rie eine der bekanntesten Keramikerinnen. Die war übrigens Österreicherin. Aber es stimmt schon, noch ist die Keramik nicht so weit in den Köpfen der Menschen angekommen wie anderes Design. Aber das ändert sich ja gerade, wie man sieht. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.9.2017)