Georg Aigner verkauft seit zehn Jahren die Straßenzeitung "Apropos". Nun macht er auch Stadtführungen zu den Orten, die sein Leben begleitet haben.

Foto: Apropos/ Christian Weingartner

Georg Aigner mit seiner Frau Evelyne bei der Stadtführung "Spurwechsel" im Salzburger Stadtteil Schallmoos.

Foto: Stefanie Ruep

Der Saftladen in Schallmoos bietet Menschen mit wenig Geld tagsüber einen Aufenthaltsort. Sozialarbeiter sind Ansprechspartner vor Ort.

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Salzburg – Georg Aigner ist 48 Jahre alt. Zehn Jahre davon hat der Salzburger im Gefängnis gesessen. Davor war er obdachlos und Alkoholiker. Seit zehn Jahren ist Aigner nun Verkäufer der Salzburger Straßenzeitung "Apropos". Seither ist er trocken, verheiratet und lebt mit seiner Frau in einer 35-Quadratmeter-Wohnung.

Der Straßenzeitungsverkäufer hat die Spur wiedergefunden. Wie er das geschafft hat, zeigt Aigner nun Interessierten bei ganz persönlichen Stadtspaziergängen durch Salzburg. Im Zentrum der Stadtführungen stehen die Höhen und Tiefen im Leben des 48-Jährigen sowie die Einrichtungen, die ihn auf diesem Weg begleitet haben.

"Als Obdachloser landet man am Bahnhof", erzählt Georg Aigner. Bei der Tour "Überleben" zeigt der Neostadtführer, wo arme Menschen übernachten, wie sie an Geld kommen und wo sie günstig Lebensmittel einkaufen.

Tagesaufenthalt ohne Einsamkeit

Wenig Geld und viel Zeit prägen das Leben in Armut. Beim Spaziergang "Spurwechsel" im Stadtteil Schallmoos führt Georg Aigner zu Einrichtungen, wo viele Mindestsicherungsbezieher und Obdachlose ihren Tag verbringen. Der Saftladen ist mehr als eine Wärmestube. In der Tagesaufenthaltseinrichtung vom Verein Neustart gibt es Essen, Kaffee, Duschen, Waschmaschinen und Trockner.

"Einsamkeit ist ein Thema. Es kommen viele, um zu reden und Kontakte zu pflegen", sagt Georg Aigner. Sozialarbeiter sind immer vor Ort, schlichten Streit, helfen bei Bürokratie oder hören einfach nur zu. Im Saftladen hat Aigner auch seine Frau kennengelernt. "Es war sehr wichtig für sie, wie ich im Gefängnis war, sonst wäre sie tausendmal verzweifelt. Den Existenzkampf haben auch die Leute, die draußen warten", sagt der Zeitungsverkäufer.

Weitere Stationen sind die Spielsuchtberatung, die seiner Frau geholfen habe, vom Glücksspielautomat wegzukommen, das Restaurant Schmankerl, das Langzeitarbeitslose wieder zurück in den Arbeitsrhythmus bringt, und der Verlag der Straßenzeitung Apropos.

20 Jahre Salzburger Straßenzeitung

"Ich dachte, ich mache das nicht. Wenn ich mit der Zeitung auf der Straße stehe, gebe ich zu, dass ich am Rand der Gesellschaft stehe", schildert Aigner. Aber es sei ganz anders gewesen. Der Verkauf der Zeitungen war für Georg Aigner der Anker, um wieder Fuß zu fassen: "Jeder kann schnell betroffen sein. Es müsste mehr Einrichtungen geben, die einem raushelfen."

Seit 20 Jahren ist die Straßenzeitung "Apropos" eine dieser Einrichtungen. 120 Zeitungsverkäufer sind in ganz Salzburg unterwegs. Die Verkäufer kaufen die Zeitungen um 1,25 Euro und verkaufen sie um 2,50 Euro weiter. Die Menschen haben wieder eine Tagesstruktur, verdienen ein Zubrot und kommen in Kontakt mit anderen Menschen. "Es entstehen richtige Beziehungsinseln rund um die Verkäufer", schildert "Apropos"-Chefredakteurin Michaela Gründler. "Zum 20. Geburtstag von 'Apropos' können die Geschichten der Straße nun auch erlebt und nicht nur gelesen werden", sagt Gründler. Drei verschiedene Stadtspaziergänge mit Georg Aigner werden angeboten. Ab vier Teilnehmer finden sie statt. (Stefanie Ruep, 6.9.2017)