Wien – Josef Cap machte schon SPÖ-Medienpolitik als Parteimanager, Mediensprecher, Klubobmann, da gab es noch lange keine Privatradios und kein Privatfernsehen. Besonders achtete er stets auf den ORF, auch auf ORF-General Alexander Wrabetz, der 1983 den Vorzugsstimmenwahlkampf des damaligen Revoluzzers Cap für den Nationalrat organisierte.

Für die kommende Wahl führt Cap (65) nun mangels sicheren Listenplatzes wieder einen Vorzugsstimmenwahlkampf im Wahlkreis Wien-Nord-West. Jedenfalls noch als Abgeordneter und Mediensprecher der SPÖ beantwortet er den – schriftlichen – Medienpolitik-Fragebogen des STANDARD:

Ein Mann sieht rot: Josef Cap, hier von Fotograf Heribert Corn mit einer roten Rose konfrontiert – oder dekoriert.
Foto: Heribert Corn

ORF

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda hat sich eine ORF-Reform und zuvor eine Enquete über die künftige Finanzierung, die künftigen Aufsichtsgremien und den Programmauftrag des ORF vorgenommen, die sich vor der Wahl nicht mehr ausging. Wie soll der ORF aus Ihrer Sicht künftig finanziert, organisiert, geführt und beauftragt werden?

Cap: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt in westlichen Demokratien eine wichtige Funktion – im Zeitalter von Fake News und alternativen Fakten und angesichts des veränderten Mediennutzungsverhaltens der BürgerInnen ganz besonders. In Österreich kommt noch dazu, dass der ORF durch den großen deutschen Nachbarn auch für die Eigenständigkeit und die Identität des heimischen Marktes wichtig ist. Ein starker öffentlich-rechtlicher ORF mit einem breiten Angebot auf allen Medienplattformen ist von zentraler Bedeutung für den Medienstandort Österreich. Daran hat sich eine mögliche Weiterentwicklung von Finanzierung und Organisation des ORF zu orientieren.

STANDARD: Braucht es künftig einen gebührenfinanzierten österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und mit welchen Aufgaben?

Cap: Mehr denn je, denn der kleine österreichische Medienstandort wird gerade in die Zange genommen und droht seine Eigenständigkeit und Identität zu verlieren. Im Fernseh-Bereich dominieren die deutschen Medienriesen und ihre Werbefenster, im Online-Bereich die amerikanischen Medienriesen Google, Facebook und Co. Will man die Eigenständigkeit des heimischen Medienmarktes absichern, leistet der ORF einen entscheidenden Beitrag.

STANDARD: In den vergangenen Wochen kursierten wieder einmal Spekulationen, eine neue Regierung könnte ORF 1 oder Ö3 privatisieren, die Sender könnten einzelnen Medienhäusern schon versprochen sein. Was halten Sie von der Idee, ORF 1 und/oder Ö3 abzuspalten und privaten Medienunternehmen zu verkaufen?

Cap: Die Zerschlagung des ORF wäre ein schwerer standortpolitischer Fehler. Öffentlich-rechtliche Medien müssen das gesamte Publikum erreichen, das jüngere genauso wie das ältere. Der ORF ist im Vergleich zu anderen Öffentlich-rechtlichen auch beim jungen Publikum gut aufgestellt – das ist vor allem ORF 1 und Ö3 mit ihrer spezifischen Positionierung zu verdanken. Aber selbstverständlich gibt es vor allem in ORF 1 Weiterentwicklungsbedarf. Der Anteil an Eigenproduktionen muss ausgebaut, der Anteil zugekaufter Filme und Serien muss reduziert werden.

STANDARD: In Deutschland müssen – bis auf sozial Bedürftige – alle Haushalte für ARD, ZDF und Co bezahlen, unabhängig vom Empfang. Ein ähnliches Modell hat sich die Schweiz fix vorgenommen. Hier ist Radio-Streaming auch von ORF-Programmen bisher gebührenfrei, weil technisch kein Rundfunkempfang, an den das Gesetz die GIS-Gebühr knüpft. Wäre eine Haushaltsabgabe sinnvoll?

Cap: Mittelfristig ist eine Weiterentwicklung des derzeitigen Gebührensystems sinnvoll, um der neuen Medienrealität Rechnung zu tragen. Wichtig ist, dass die Finanzierung des ORF nicht aus dem Staatsbudget erfolgt, da dadurch die Unabhängigkeit beeinträchtigt würde. Bei der Frage, ob es eine Weiterentwicklung des derzeitigen Gebührensystems oder eine der Formen der Haushaltsabgabe ist, sollte man die internationalen Erfahrungen mit diesen Modellen prüfen. Wichtig ist außerdem, dass allfällige Änderungen bei diesem sensiblen Thema in einem breiten gesellschaftlichen Konsens erfolgen.

STANDARD: Der ORF hat 35 Stiftungsräte, beschickt von Regierung (9), Parteien (6), Bundesländern (9), ORF-Betriebsrat (5) und Publikumsrat (6), die ORF-Führung, Budget, Programmschema und wesentliche unternehmerische Entscheidungen bestimmen, sowie 31 Publikumsräte. Wäre eine Verkleinerung des/der Gremien sinnvoll und wie sollten sie künftig aussehen?

Cap: Die derzeitige, gesellschaftlich repräsentative Zusammensetzung des Stiftungs- und des Publikumsrates hat sich seit ihrer Schaffung bewährt. Dass der ORF die medialen Umwälzungen der letzten 15 Jahre – von der Finanzkrise über die Digitalisierung bis zum Siegeszug von Facebook, Google und Co – gut bewältigt hat, ist nicht zuletzt auch der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsgremien zu verdanken.

STANDARD: Der ORF hat derzeit einen Alleingeschäftsführer – Alexander Wrabetz – und vier Zentraldirektoren sowie ORF-Landesdirektoren für jedes Landesstudio. Ist der Ist-Zustand sinnvoll – oder sehen Sie sinnvollere Varianten (und welche)?

Cap: Die Geschäftsführung wurde vor einem Jahr für fünf Jahre bestellt. Der ORF entwickelt sich insgesamt und im Vergleich mit anderen europäischen öffentlich-rechtlichen Sendern sehr erfolgreich. Unter dem Deckmantel einer Reform aus politischen Gründen eine Geschäftsführung auszutauschen wie verschiedentlich angekündigt halte ich für sehr durchsichtig und ist abzulehnen.

STANDARD: Soll das ORF-Gesetz Mindestanteile für österreichische Produktionen/Musik/Inhalte in Radio- und Fernsehprogrammen des ORF vorschreiben?

Cap: Natürlich ist der ORF angehalten einen möglichst hohen Anteil österreichischer Produktionen in TV und Radio zu senden. Der ORF hat hier auch in Vereinbarungen mit der österreichischen Filmwirtschaft und der Musikbranche bereits deutliche Steigerungen realisiert. Dieser Weg der intensiven Zusammenarbeit zwischen ORF und der Kreativbranche soll unterstützt, aber nicht notwendigerweise durch zu viele gesetzliche Quoten reglementiert werden.

STANDARD: Der ORF wünscht sich mehr Möglichkeiten Online – von Werbe-Targeting bis zu längerem Anbieten von Videoinhalten. Was halten Sie davon?

Cap: Ich finde es schade, dass vom Gebührenzahler bezahlte Produktionen nach sieben Tagen von der sehr erfolgreichen TVThek genommen werden müssen. Im Sinne des Publikums sollte diese starre EU-Regel verändert werden. Im Bereich der Online-Werbung werden die österreichischen Anbieter nur gegen Google und Facebook bestehen können, wenn sie enger zusammenarbeiten. Wenn es dem ORF gelingt im Einvernehmen mit den Zeitungen und anderen österreichischen Anbietern einen Online-Werbering zu schaffen, der den Abfluss von österreichischen Werbegeldern in Silicon Valley zumindest bremst und Wertschöpfung im Land erhält, sollten wir dafür auch die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.

STANDARD: Kritiker werfen ORF-Journalisten wie Armin Wolf "Verhörmethoden" vor. Braucht es neue Regeln für ORF-Journalisten und sollen ihre Social Media-Aktivitäten eingeschränkt werden?

Cap: Die ORF-Journalisten leisten insgesamt eine hervorragende Arbeit für einen unabhängigen, objektiven und kritischen Journalismus. Es ist sicher nicht Aufgabe der Medienpolitik unterschiedliche Interviewstile zu bewerten oder gar zu reglementieren.

"Wo man etwas tun kann ist im Bereich der Online-Werbung."
Foto: Heribert Corn

Privatfernsehen

STANDARD: Zwei Sendergruppen – ProSiebenSat1 und RTL/IP – dominieren das Privatfernsehen in Österreich, insbesondere auf der Basis von Werbefenstern. Seit deren Start in den 1990ern wurden immer wieder Sonderregeln/steuern für Werbefenster gefordert. Ist da aus Ihrer Sicht etwas zu tun – und wenn, was?

Cap: Die starke Stellung der deutschen Werbefenster wurde in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Europarechtlich sind hier jedoch kaum regulatorische Beschränkungen möglich. Wo man etwas tun kann ist im Bereich der Online-Werbung.

Hier muss Chancengleichheit zwischen den österreichischen und den nahezu unregulierten internationalen Anbietern hergestellt werden. So wäre es zum Beispiel sinnvoll, wie in der letzten Regierungserklärung vereinbart, die Werbesteuer auch auf die Online-Werbung von Facebook, Youtube und Co auszudehnen.

Medienförderung

STANDARD: Die RTR fördert derzeit kommerzielle Privatsender – etwa die Morning Show auf Kronehit oder Life Radio, Nachrichten auf Puls 4 oder auch Ö24TV mit insgesamt 15 Millionen Euro pro Jahr. Der scheidende RTR-Chef Alfred Grinschgl hat vorgeschlagen, über mehrere Jahre deutlich profitable Sender nicht mehr zu fördern – was halten Sie davon?

Cap: Ich finde, dass es durchaus sinnvoll ist bestimmte österreichische Inhalte zu fördern, unabhängig von der Frage, ob ein Unternehmen Gewinne macht. Die Verwendung der Mittel für diese spezifischen österreichischen zusätzlichen Produktionen muss jedoch sichergestellt werden.

STANDARD: Sehen sie insgesamt Änderungsbedarf bei der Förderung elektronischer Medien (15 Millionen Privat-TV, 3 Millionen Community-Sender, 13,5 TV-Produktionsförderung, Digitalförderung)?

Cap: Ich sehe aktuell keinen Änderungsbedarf, aber auch hier ist eine Evaluierung sinnvoll.

STANDARD: Medienpolitisches Thema der vergangenen Monate war eine Reform der Presseförderung von derzeit 8,9 Millionen Euro. Die Verleger fordern eine Erhöhung. Welche Form der Presse/Medienförderung halten Sie für sinnvoll? Medienminister Thomas Drozda plante etwa eine hohe Basisförderung nach der Zahl der Journalisten für alle Tageszeitungen einschließlich Gratiszeitungen und ein Bonussystem etwa für Beteiligung am Presserat, moderierte Foren, Redaktionsstatute. Im Ergebnis würden etwa noch sehr profitable Massentitel die Kronen Zeitung oder die Kleine Zeitung rund 1,1 Millionen Euro bekommen wie auch Die Presse oder Der Standard. Was halten Sie von diesem Modell?

Cap: Der Medienminister hat hier ein interessantes Modell vorgelegt. Im Zentrum der Förderungen sollen die Journalisten als die Produzenten redaktioneller Inhalte stehen. Natürlich wird es auch weiterhin eine Diskussion mit allen Betroffenen dazu geben.

STANDARD: Sollen bestimmte Branchen- und Qualitätssicherungsmaßnahmen wie die Teilnahme am Presserat Grundbedingung für Medien- oder Presseförderung sein?

Cap: Eine Regierung kann nicht bestimmen, was qualitätsvoller Inhalt ist. Sie bekommt sonst den Vorwurf Zensur ausüben zu wollen. Der Presserat ist ein privater Verein. Daher kann eine staatliche Stelle nicht anordnen, dass sich ihm jeder unterstellt.

Medientransparenz

STANDARD: Sollen Regierungsinserate limitiert und/oder reglementiert werden und wenn ja, wie?

Cap: Regierungsinserate sollen einen Informations-Auftrag erfüllen und sonst nichts. Dabei spielen Reichweite und Zielgruppen eine wichtige Rolle.

"Regierungsinserate sollen einen Informations-Auftrag erfüllen und sonst nichts."
Foto: Heribert Corn

Google/Facebook

STANDARD: Wesentliche Teile der Onlinewerbung gehen – auch in Österreich – an Google und Facebook. Sehen Sie eine Möglichkeit, eine Onlinewerbeabgabe auch auf die Werbeeinnahmen von Google und Facebook aus Österreich einzuheben – und wäre das sinnvoll?

Cap: Ja, es wäre sinnvoll und es müsste eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, diesen Wettbewerbsvorteil für Internet-Konzerne zu beseitigen.

STANDARD: Stichwort Hass-Postings: Sollen Plattformen wie Facebook oder Youtube medienrechtlichen Standards unterliegen?

Cap: Unbedingt. Auch dies gehört zu den medienpolitischen Zielen der nächsten Zeit.

Informationsfreiheit

STANDARD: Das Forum Informationsfreiheit fordert – nach Vorbild Hamburgs – ein Transparenzgesetz, das Behörden zur Auskunft und Veröffentlichung von Verträgen, Dokumenten, Daten verpflichtet. Wäre das sinnvoll, und wenn ja, in welcher Form?

Cap: Unsere Vorschläge zur Informationsfreiheit fanden im Parlament keine Zweidrittel-Mehrheit.

Überwachung

STANDARD: Sind die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Überwachung persönlicher Daten und Kommunikation ausreichend, gehen sie zu weit oder zu wenig weit?

Cap: Spontan gesagt sollten die Möglichkeiten ausreichend sein, aber schon aufgrund der Sensibilität dieses Themas ist eine immer wieder durchgeführte Evaluierung sinnvoll. (Harald Fidler, 6.9.2017)