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Stimmungstracking kann die Arbeit im Callcenter verbessern.

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Graz – Ein Callcenter für Firmenkunden eines Telekom-Unternehmens ist nicht unbedingt der entspannendste Ort. Die Kunden rufen dann an, wenn etwas nicht funktioniert. Der Telefondienst hier ist oft eine emotional geladene Arbeit mit hohem Frustrationspotenzial. Den Mitarbeitern bleibt wenig Zeit, sich mit ihren Kollegen auszutauschen und Probleme gemeinsam zu verarbeiten.

Für Viktoria Pammer-Schindler ist das eine Situation, in der der kluge Einsatz neuer Technologien die gemeinsame Arbeit erleichtern kann. Sie ist Wissenschafterin am Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz und Leiterin des Bereichs Ubiquitous Personal Computing am Grazer Know-Center, einem Forschungsunternehmen, das im Rahmen des Comet-Programms von Verkehrs- sowie Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium und der Förderagentur FFG gegründet wurde. Sie erforscht und entwickelt Systeme, die Menschen bei Arbeit und Lernen flexibel unterstützen und positiv beeinflussen. In einer komplexer werdenden Welt der Wissensarbeit sollen neue Interaktionsmuster zwischen Mensch und Technologie geschaffen werden.

Moodmap

Im Callcenter-Projekt entwickelten Pammer-Schindler und Kollegen ein sogenanntes Mood-Self-Tracking-System. Mitarbeiter können dabei ihre aktuelle Stimmung auf einer am Bildschirm eingeblendeten Moodmap mit einem Mausklick festhalten und aktualisieren. Die Kollegen sehen auf einen Blick, wo sich die Teammitglieder gerade stimmungsmäßig verorten. "Wenn es bei einem Kollegen brennt, haben Chef und Team die Möglichkeit, sich sofort einzubringen", sagt Pammer-Schindler. "Das System macht eine schnelle Kommunikation möglich, um sich gegenseitig unterstützen zu können."

Die Forscher haben das System bei vier verschiedenen Teams ausprobiert – mit unterschiedlichem Erfolg. Bei der Evaluierung wurden Faktoren wie Akzeptanz, Verwendbarkeit und tatsächlicher Mehrwert untersucht. "In zwei der Teams war der Einsatz des Systems sehr erfolgreich", berichtet Pammer-Schindler. Unterstützung, Lernen und systematischer Wissensaufbau passierten vor allem dann, wenn man an seine Grenzen gerät. "Wir konnten tatsächlich sehen, wie es durch die sehr einfache und niedrigschwellige Kommunikation zu einem vermehrten Wissensaustausch in schwierigen Fällen kam." Wenn allerdings die Verantwortlichen nicht bereit waren, Zeit für die Etablierung des Systems zu investieren, es "wenig Unterstützung von oben" gab, war das Mood-Self-Tracking-Experiment weniger erfolgreich.

Auswertung im Nachhinein

Theoretisch würden sich derartige Technologien auch für eine Auswertung im Nachhinein eignen, etwa für wöchentliche Rückblicke und Aufarbeitungen. "Das ist allerdings nur dann relevant, wenn man ausreichend Kontext zu den Daten bereitstellen kann", betont Pammer-Schindler. Die Stimmungsdaten müssten im konkreten Fall beispielsweise mit den konkreten Problemen von Kunden abgeglichen werden können. "Schwierig ist dabei, die tatsächlich relevanten Fakten herauszufiltern", sagt die Forscherin.

Lernen als "bewusster und absichtlicher Veränderungsprozess" ist jedenfalls nicht nur Einzelpersonen vorbehalten, die Erlerntes ohnehin im Arbeitskontext nicht allein umsetzen können. Lernen können auch Teams und Organisationen. In großen Organisationen wie Hochschulen gewinnt der Begriff Learning-Analytics an Bedeutung. Daten über Art der Lernaktivitäten, Fortschritte und Kontext sollen in großem Ausmaß gesammelt und analysiert werden, erläutert die Forscherin.

An den Unis sind durch die Auswertung von elektronischen Systemen und Lehrveranstaltungsevaluierungen entsprechende Daten vorhanden. "Was es noch weniger gibt, ist Learning-Analytics für den Einzelnen", so Pammer-Schindler. "Studierenden könnte die Gelegenheit gegeben werden, den eigenen Fortschritt im Vergleich zu ihren Kollegen abzufragen. Die notwendigen Informationen dafür wären im Hochschulsystem vorhanden." (pum, 610.9.2017)