Wladimir Putin und Xi Jinping beim Brics-Treffen in Xiamen. Beiden Staatschefs ist es wichtig, Einigkeit zu Nordkorea zu demonstrieren.

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Es ist schwer, einen Dialog mit Leuten zu führen, die Österreich und Australien verwechseln", lästerte Russlands Präsident Wladimir Putin am Rande des Gipfels der Schwellenländergruppe Brics im chinesischen Xiamen über die Ignoranz von US-Politikern. Die Spitze dürfte sich weniger gegen Donald Trump richten, den Moskau nach wie vor zu umwerben versucht und der schon mehrfach geografische Wissenslücken offenbarte, sondern eher gegen das Establishment in Washington.

Die jüngsten Sanktionen und die Schließung von Konsulaten haben das gespannte US-russische Verhältnis weiter belastet. Unter diesen Umständen verspürt Moskau wenig Neigung, dem amerikanischen Wunsch nach einer Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea nachzukommen. Es sei "dumm", erst Russland auf eine Sanktionsliste gemeinsam mit Nordkorea und dem Iran zu stellen und dann von Moskau eine Zustimmung zu Strafmaßnahmen gegen Pjöngjang im UN-Sicherheitsrat zu erwarten, sagt Putin.

Warnung vor "Hysterie"

Zumal der Kremlchef neue Restriktionen gegen das Kim-Regime ohnehin für "sinn- und wirkungslos" hält. Auf die Regierung würden verschärfte Sanktionen keinen Einfluss haben, aber das Leid der Bevölkerung erhöhen. Auch darum fordere er Mäßigung von allen Seiten. Aber auch, weil laut Putin "Hysterie" zu einer "globalen Katastrophe mit zahlreichen Opfern" führen könne.

Vor allem aber ist die Eskalation für Russland ein Problem. Moskau hat naturgemäß kein Interesse an einem Rüstungswettlauf an seiner Ostflanke. Seit Wochen ruft der Kreml daher alle Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. Zwar hat auch Russland Pjöngjangs "erneute demonstrative Missachtung der UN-Resolution und des internationalen Rechts" nach dem jüngsten Atomtest kritisiert, zugleich forderte das russische Außenministerium aber einen verstärkten Dialog. Dies sei in der angespannten Lage das einzige Mittel, um eine Lösung in der Koreafrage zu erzielen, heißt es in einer Stellungnahme.

Russland setzt dabei auf verstärkte Kooperation und Absprache mit der zweiten (offiziellen) Atommacht in der Region – China. Schon vor Tagen hatte Putin in einem Artikel von einer "russisch-chinesischen Roadmap" für Korea geschrieben, ohne dabei allerdings in Details zu gehen.

Einigkeit mit Peking

Für Moskau ist es wichtig, in dieser Frage Einigkeit mit Peking zu demonstrieren. Insbesondere möchte der Kreml natürlich die Stationierung von neuen US-Raketen nahe seiner Pazifikküste vermeiden. Dies würde das Gefühl der Einkreisung, das im Kreml ohnehin vorherrscht, verstärken.

Anders als Putin äußerte sich Chinas Staatschef Xi Jinping bisher nicht öffentlich zum Konflikt. Auf seiner Pressekonferenz zum Abschluss des Brics-Gipfels erwähnte er den Atomtest nicht. Er erlaubte damit nicht, dass Machthaber Kim Jong-uns Provokationen seinen Gipfel in Xiamen überschatten. Fragen waren ohnehin nicht zugelassen. Die Brics-Staaten üben nur in ihrer am Dienstag veröffentlichten, 71 Punkte umfassenden Xiamen-Erklärung verhalten Kritik an Nordkoreas Führung. Unter Punkt 44 heißt es: "Wir bedauern zutiefst Nordkoreas Atomversuch. Wir empfinden große Sorge über die gespannte Lage auf der koreanischen Halbinsel."

Die Formulierungen blieben hinter dem Ton der Verurteilung Nordkoreas durch den chinesischen UN-Botschafter Liu Jieyi im UN-Sicherheitsrat zurück. Liu warnte aber vor allem die USA vor einseitigen militärischen Aktionen: "China wird niemals erlauben, dass es zu Chaos und Krieg auf der Halbinsel kommt."

Instabiler Atomtestberg

Die Kluft zwischen Washington und Peking wird wieder größer. Öl ins Feuer goss ein Twitter-Vorschlag Trumps, den China "absurd" nannte. Trump hatte gedroht, den US-Handel mit Staaten zu stoppen, die Wirtschaftsgeschäfte mit Nordkorea betreiben. Er meinte damit vor allem die Volksrepublik. Doch US-Wirtschaftsstrafen für China wären für beide Staaten eine Katastrophe.

Inzwischen haben Seismologen von der China-Universität für Wissenschaft und Technologie in Hefei die Stärke des Atomtests vom Sonntag berechnet. Sie gaben sie mit 108 Kilotonnen an. Sie fanden heraus, dass fünf der sechs von Nordkorea bisher getesteten Atombomben nahe beieinander unter dem Bergmassiv des Punggye-ri genannten Testgeländes gezündet wurden. Der frühere Vorsitzende der China Nuclear Society, Wang Naiyan, befürchtet nun, dass die Serie das Bergplateau unterhöhlen und zum Einsturz bringen könnte, erfuhr die Hongkonger "South China Morning Post". Dann würde Radioaktivität Richtung China entweichen – mit unvorhersehbaren Folgen. (André Ballin aus Moskau und Johnny Erling aus Peking, 5.9.2017)