Schwarz-Blau: Einig bei der Wirtschaft, Differenzen im Sozialen

Geht es nach den Antworten auf 26 Fragen im Online-Test Wahlkabine.at, haben ÖVP und FPÖ mit 65 Prozent sehr viele Gemeinsamkeiten. Die Plattform Neuwal.com bewertet die Übereinstimmungen der Spitzenkandidaten Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit "befriedigend".

Ähnlich sind sich die zwei Parteien vor allem in ihrer Wirtschaftspolitik. Beide wollen die Steuerlast massiv reduzieren, die Volkspartei um zwölf Milliarden Euro, die FPÖ sogar um bis zu 16 Milliarden. Die Abgabenquote soll von 43 auf 40 Prozent sinken. Ebenfalls gemeinsam haben Kurz und Strache, dass sie die Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne reduzieren wollen. Die Freiheitlichen sprechen in ihrem Programm von einer Halbierung auf 12,5 Prozent, die ÖVP will sie ganz streichen.

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Beide Parteien sprechen sich gegen Erbschaftssteuern aus und für Arbeitszeitflexibilisierung.

Auch in der Familienpolitik sind sie nicht weit voneinander entfernt. Beide Parteien sind gegen die Ehe für homosexuelle Paare und gegen einen Rechtsanspruch auf den Papamonat – derzeit muss der Arbeitgeber zustimmen, wenn der Vater nach der Geburt für einen Monat mit Kind und Mutter zu Hause bleiben will.

Unterschiede finden sich in der Sozialpolitik. Die FPÖ ist für eine Erhöhung der Mindestpension auf 1000 Euro und für einen Mindestlohn von 1700 Euro – beides keine Lieblingsthemen der ÖVP.

Obwohl die ÖVP unter Kurz den Freiheitlichen nähergerückt ist und Kürzungen der Sozialhilfe und Mindestsicherung für Zugewanderte ausspricht, sind die Freiheitlichen radikaler. Sie wollen die Mindestsicherung für Zugewanderte komplett streichen und nur mehr Sachleistungen zur Verfügung stellen.

Rot-Schwarz: Das langjährige Paar hat wenig gemeinsam

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Die sogenannte große Koalition war die häufigste Regierungsform in der Zweiten Republik. Dabei sind die inhaltlichen Überschneidungen eigentlich nicht besonders groß.

Auch wenn Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern die Sozialdemokratie liberaler gemacht hat, trennt Rot und Schwarz vor allem die Wirtschaftspolitik. Zwar will auch Kern die Steuerlast reduzieren, allerdings nicht in dem Ausmaß wie die ÖVP. Im SPÖ-Programm ist von drei Milliarden Euro weniger Steuern auf Arbeit die Rede.

Viele Koalitionsbedingungen der Sozialdemokraten – darunter die Erbschaftssteuern – sind für die Volkspartei ein No-Go. Gleiches gilt für Mietobergrenzen. Auch eine Wertschöpfungsabgabe lehnt die ÖVP ab. Gegen die von Kurz geplante Streichung der Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne ist wiederum die SPÖ.

Eher weit voneinander entfernt sind die beiden Parteien auch in der Familienpolitik. Die SPÖ ist etwa für die Ehe für alle, die ÖVP dagegen.

In der Flüchtlingspolitik gibt es einige Parallelen. Beide sind für Obergrenzen, ein Schließen der Mittelmeerroute sowie für Aufnahmezentren in Nordafrika. Die SPÖ will aber, dass in diesen Zentren Asylanträge gestellt werden können, was Kurz ablehnt.

Restriktive Pläne zur Kürzung von Sozialhilfen für Zugewanderte gibt es im SPÖ-Programm keine, konkrete Kritik an den Plänen gab es in den letzten Tagen aus der Parteizentrale aber auch nicht.

Eine Annäherung gab es in den letzten Jahren in der Bildungspolitik. Die ÖVP hat sich für Ganztagsschulen geöffnet, die SPÖ ist unter Kern nicht mehr kategorisch gegen Zugangsbeschränkungen an den Universitäten.

Rot-Blau: Ein Tabubruch, der durchaus möglich ist

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Auch wenn der entsprechende Parteitagsbeschluss noch nicht aufgehoben wurde: Das Tabu ist gebrochen. Mit ihrem "Wertekompass" schließt die SPÖ die Freiheitlichen nicht mehr als Koalitionspartner aus. Kern sagt zwar, diese Regierungsform sei "Lichtjahre" entfernt, unmöglich ist sie dennoch nicht, wenn man sich einzelne Programmpunkte anschaut.

Beide Parteien sind etwa für die Erhöhung der Mindestpension auf 1000 Euro und für einen Mindestlohn – die Blauen wollen 1700 Euro, die Roten 1500. Auch auf die Frage von Wahlkabine.at, ob zugunsten öffentlicher Investitionen neue Schulden gemacht werden sollen, antworten SPÖ und FPÖ mit Ja. Da hören sich die Gemeinsamkeiten in der Wirtschaftspolitik aber auch schon wieder auf. Bei Themen wie der Unternehmenssteuer passen FPÖ und ÖVP wesentlich besser zueinander (siehe ganz links).

Die freiheitlichen Vorschläge für die Flüchtlingspolitik sind wesentlich restriktiver als jene der SPÖ, auch wenn sich die Sozialdemokraten in diesem Wahlkampf bei dem Thema auffallend zurückhalten.

Große Unterschiede zwischen Rot und Blau gibt es bei gesellschaftlichen Themen. Die Sozialdemokraten sind im Gegensatz zur FPÖ für Frauenquoten, für die Öffnung der Ehe, für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sowie für Ganztagsschulen und für den Rechtsanspruch auf ein Papamonat.

Ebenfalls nicht einig sind sich die beiden Parteien in der Europapolitik. Während zum Beispiel Christian Kern die Vision der "Vereinigten Staaten von Europa" in der Befragung von Neuwahl.com durchaus positiv sieht, lehnt FPÖ-Chef Strache diese völlig ab und spricht lieber von einem "Europa der Vaterländer".

Ein Trio mit viel Streitpotenzial

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Die SPÖ hat diese Koalition bereits als ihre Wunschregierungsform genannt. Ob sich eine Mehrheit für SPÖ, Neos und Grüne überhaupt ausgehen wird, ist allerdings offen. Die derzeitigen Umfragen legen das nicht gerade nahe.

Abgesehen davon sind die inhaltlichen Überschneidungen von SPÖ und Grünen zwar sehr groß, jene von SPÖ und Neos allerdings nicht wirklich. Zwischen Grünen und Neos gibt es zwar in gesellschaftlichen Bereichen Parallelen, ein Traumpaar sind die beiden Parteien aber auch nicht.

Die SPÖ müsste ihren Funktionären jedenfalls eine Koalition mit einer Partei erklären, die seit Jahren gegen die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern wettert. In der Wirtschaftspolitik trennt SPÖ und Neos etwa so viel wie ÖVP und SPÖ. Auch die Pinken sind gegen rote Kernthemen wie Wertschöpfungsabgabe, Erbschaftssteuer, Mietobergrenzen und einen gesetzlichen Mindestlohn. Bei all diesen Themen sind Rot und Grün auf einer Linie.

Alle drei Parteien eint eine positive Haltung zur Europäischen Union. Auch in der Flüchtlingspolitik trennt sie nicht allzu viel, Menschenrechte sind Themen, die sich in den Wahlprogrammen wiederfinden. Konflikte könnte es dennoch geben, sind die Grünen doch für Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge innerhalb der EU und nicht wie von der SPÖ und Neos vorgeschlagen, in Nordafrika.

Auf einer Linie sind SPÖ, Neos und Grüne in vielen gesellschaftspolitischen Anliegen. Alle drei sind etwa für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle, auch in der Bildungspolitik trennen die drei keine unüberwindbaren Hindernisse. Zum Streit zwischen Neos und Grünen könnte es aber in der Frauenpolitik kommen: Den Grünen ist die Quote ein großes Anliegen.

Tiefe Gräben, die kaum zu überwinden sind

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Eine Koalition aus ÖVP, Neos und Grünen würde sich der pinke Obmann Matthias Strolz wünschen. Ob sie sich ausgehen wird, hängt davon ab, wie erfolgreich die ÖVP sein wird und ob die Grünen doch stärker werden als derzeit prognostiziert.

Wie bei Rot-Grün-Neos wären auch in diesem Trio viele Konflikte programmiert. Zwar passen ÖVP und Neos in der Wirtschaftspolitik gut zusammen: Sie sind auf einer Linie, was Steuersenkungen, Unternehmerfreundlichkeit und Arbeitszeitflexibilisierung betrifft. Auch die Gegnerschaft zu Erbschaftssteuern und Mietobergrenzen eint die beiden.

Die regelmäßigen Angriffe auf die Landespolitiker – Strolz nennt sie "Fürsten der Finsternis" – könnten aber für Brösel sorgen.

Die Grünen stehen der Wirtschaftspolitik von ÖVP und Neos diametral entgegen und würden hier besser mit der SPÖ zusammenpassen.

In Opposition zur ÖVP stehen Grüne wie Neos in Fragen der Überwachung. Beide sind etwa gegen das Ausspähen von Whatsapp über einen sogenannten "Bundestrojaner". Grün und Pink kämpfen auch Seite an Seite für das Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll – die ÖVP bremst hier (genau wie die SPÖ).

Für Konfliktstoff ist auch in der Schulpolitik gesorgt. Die Gesamtschule aller Zehn- bis 14-Jährigen ist den Grünen ein sehr wichtiges Anliegen, aber ein rotes Tuch für die ÖVP. Die Neos könnten hier mit ihrem Ansatz von mehr Autonomie den Knoten lösen.

Am unmöglichsten scheint aber eine Zusammenarbeit zwischen Grünen und ÖVP in der Flüchtlingsfrage. Für die Grünen sind die Vorschläge von Sebastian Kurz zur Kürzung der Mindestsicherung für Asylwerber ein absolutes No-Go. (Lisa Kogelnik, 8.9.2017)

Daten: wahlkabine.at, Berechnung: Laurenz Ennser-Jedenastik