Der Dichter (Dominic Oley) und seine Muse und Geliebte (Swintha Gersthofer).

Foto: Astrid Knie

Wien – Vertauschte Rollen sind das Geschäft des Theaters. Und man wünscht sich manchmal, es würde – gerade was die Geschlechterpositionen betrifft – herzhafter davon Gebrauch machen. Im Fall von Shakespeare liegt der Gedanke ja nahe, dass Frauen- zu Männerrollen werden. Man könnte sich also einmal der Vorstellung hingeben, dass sich in der Adaption des Films Shakespeare in Love, die am Donnerstag in den Kammerspielen Premiere hatte, eine schwindelerregend begabte Jungdichterin namens Wilma Shakespeare in einen jungen Mann "im heiratsfähigen Alter" verliebt und dass sich zudem die Theaterdirektorinnen um ihre Texte zanken.

Aber derlei Schwank blieb freilich aus. Gespielt wurde das immer gleiche Spiel in historischen Kostümen: Der Dichter William Shakespeare (Dominic Oley) erkennt in Viola (Swintha Gersthofer) seine Muse, schreibt wie verrückt seine fabelhaften Dialoge, während die Ehefrau mit den Kindern in Stratford-upon-Avon versauert, und er wird am Ende trotz scharfrichterlicher Beschlüsse von der königlichen Zensurbehörde (Markus Kofler) sein Stück erfolgreich aufführen können.

Nestroyhafte Züge

Abgesehen von der romantisch verklärten Konstellation, in der nur eine einzige Frau einen erwähnenswerten Job hat, nämlich die Königin (Ulli Maier), schnurrt das Ensemblestück handwerklich solide ab. Mit tradierten Techniken lässt sich eben viel erreichen, auch wenn sie altbacken scheinen mögen: Regisseur Fabian Alder schneidet Szenen mittels Freeze überlappend ineinander und sorgt auf zwei Etagen für turbulentes Treiben. Ein über das Bühnenportal hinausragender Balkon ermöglicht es ihm, alle 22 Spieler (!) gut sichtbar einzusetzen. Die schon als Film mit Joseph Fiennes und Gwyneth Paltrow (1998) erfolgreiche Geschichte aus der elisabethanischen Zeit stammt von Marc Norman und Tom Stoppard. Der britischer Dramatiker Lee Hall verstand es, für die Bühnenfassung die bekanntlich rüde Metaphorik in Shakespeares Sprache effektvoll zu integrieren. In der deutschen Übersetzung von Corinna Brocher bekommen die Dialoge stellenweise gar nestroyhafte Züge.

Ein Hund wäre auch nicht schlecht

Gustostückerln dieser eindreiviertelstündigen, zügig durchgezogenen Inszenierung sind die aus einer melancholischen Defensive vorgetragenen Weisheiten des Theaterdirektors Philip Henslowe (Siegfried Walther). Komödien gelten diesem bis auf sein geflicktes Wams bankrotten Mann über alles. Er inszeniert nur mit Piratenüberfall und Happyend. Ein Hund wäre auch nicht schlecht. Das ist so wie mit den Klickraten auf Onlineseiten. Master Shakespeare ist das freilich zu tief.

Nur fürs Protokoll: Einen Geschlechtertausch gibt es doch noch zu vermelden. Er ist insofern vonnöten, als es zu elisabethanischer Zeit den Frauen verboten war, Theater zu spielen. Viola wirft sich also in ein Kostüm, das in der Körpermitte eine kleine Beule aufweist, um unter dem Decknamen Thomas Kent den Romeo zu geben. Crossdressing war schon immer ein Spaß. Aber erst, wenn das Theater den Rollentausch einmal politisch betrachtet, wird es interessant. (Margarete Affenzeller, 8.9.2017)