Lars Windhorst hat sein Wirken immer gut verpacken können. Dazu passt, dass er Entwürfe und Materialien des von Verhüllungskünstler Christo verpackten Reichstags in Berlin erwarb.


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Wien – Lars Windhorst befindet sich in Turbulenzen. Wieder einmal. Das einstige Wunderkind, das Geld im Nu vermehrte und Helmut Kohl tief beeindruckte, muss um seine Existenz bangen. Gleichzeitig zittern viele Unternehmen, die bisher vergeblich auf die Zahlung überfälliger Rechnungen warten. Darunter befindet sich auch die österreichische Venture-Capital-Gesellschaft Speedinvest. Doch dazu später.

Windhorst macht schon seit Jahrzehnten Schlagzeilen. Der heute 40-jährige Deutsche baut im Alter von 15 Jahren Computer und entwickelt eigene Software. Sein Unternehmen Windhorst Electronics handelt mit Computerkomponenten und kommt im ersten Geschäftsjahr auf umgerechnet 50 Millionen Euro Umsatz. Der damalige Bundeskanzler Kohl findet Gefallen an Talent und Überzeugungskraft des Schulabbrechers und nimmt ihn in einer Wirtschaftsdelegation mit auf Asien-Tour. Dann geht alles schnell. Windhorst tritt als Teenie beim Weltwirtschaftsforum in Davos auf, gibt Interviews, begeistert. Alle wollen den Aufstieg des Stars begleiten.

Verlustreiche Spekulationsgeschäfte

Dann kommen Finanzgeschäfte und Investments in Tech-Unternehmen hinzu, seine Betriebe sind in Europa und Asien angesiedelt. 2002 ist der Börsengang der Windhorst New Technologies geplant, doch das Platzen der Internetblase kommt dazwischen, und mehrere seiner Unternehmen schlittern in die Pleite. Windhorst versucht es dann wieder mit Investments, gründet das Vehikel Sapinda und sammelt Gelder von wohlhabenden Personen und Fonds ein. Die deutsche Konzerngesellschaft Vatas wird zwischenzeitig größter Aktionär von Air Berlin, zudem wird in afrikanische Rohstoffsektoren und Unternehmensanleihen investiert. Vatas geht im Zuge der Finanzkrise ein. Einer der Leidtragenden: die Hypo Alpe Adria, der aus Spekulationsgeschäften mit Vatas ein Verlust von 30 Millionen Euro erwächst.

Doch die in London sitzende Dachgesellschaft macht unbeirrt weiter. Vor allem mit Geldern reicher Araber investiert Windhorst munter weiter. Und schlittert direkt in die nächsten Turbulenzen. Derzeit laufen mehrere Gerichtsverfahren, weil Sapinda seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, wie diverse Gläubiger vorbringen. Ein Londoner Gericht ließ bereits Privatjet, Kunst- und Weinsammlung des Deutschen beschlagnahmen, berichtete die Financial Times.

Auch Staatsfonds betroffen

Die Probleme reichen bis nach Österreich. Mit Sapinda haben auch der größte heimische Venture-Capital-Geber Speedinvest und der Gründerfonds der staatlichen Förderbank AWS zu kämpfen. Und das kam so: Speedinvest hat zu Jahresbeginn eine Beteiligung an Hitbox verkauft. Das Wiener Start-up verfügt über eine Plattform für Live-Streamings, die für Gamings oder Sportübertragungen genutzt werden. Hochauflösende Videos und eine starke Einbindung von Userbeiträgen haben Hitbox zu einer ansehnlichen Community verholfen: nach eigenen Angaben neun Millionen. Live-Streaming füllt ganze Stadien und gilt als eines der schnellstwachsenden Segmente im Medienbereich.

Als Käufer tritt Azubu auf, ein in ähnlichen Segmenten aktiver Spieler mit Fokus auf Asien und den USA. Gemeinsam tritt man unter dem Namen Smashcast auf und will den Marktführer im E-Sports-Streaming angreifen: Twitch, ein 2014 von Amazon um knapp eine Milliarde Dollar erworbenes Unternehmen. Was das Ganze mit Windhorst zu tun hat? Die von ihm geführte Sapinda steht maßgeblich hinter Azubu und hat die Gesellschaft mit Finanzzusagen zur Einkaufstour verleitet. 2015 wurde gemeinsam mit Partnern eine Finanzierungslinie im Volumen von 55 Millionen Euro verkündet. Allein für Hitbox versprach Azubu einen Kaufpreis von 24,5 Mio. Euro. Seit Sapinda wieder in Schwierigkeiten geraten ist, stocken die auf mehrere Raten verteilten Zahlungen allerdings.

Stehaufmännchen

Die erste Tranche über fünf Millionen wurde erst nach mehrmaligem Nachstoßen überwiesen. Bei der zweiten Rate über 9,5 Mio. Euro, die seit April fällig ist, läuft es noch mühsamer. Speedinvest hat bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen Azubu und Sapinda – die Investmentgesellschaft fungiert beim Hitbox-Kauf als Garantiegeber – beantragt, wie aus Anlegerinformationen der Venture-Capital-Gesellschaft vom Juni hervorgeht. Über den aktuellen Stand schweigt sich Speedinvest aus, ihr Chef Oliver Holle war trotz mehrmaliger Anfragen zu keiner Stellungnahme bereit.

Windhorst selbst macht es weiterhin spannend. Berichte, dass er als Chef von Sapinda abgesetzt werden soll, hat er in den letzten Tagen dementiert. Am Freitag erfuhr die Nachrichtenagentur dpa, dass Sapinda vor dem Verkauf an niederländische Investoren stehe, Windhorst aber am Ruder bleibe. "Kohls Wunderkind" (Spiegel) ist längst zum Stehaufmännchen mutiert. (Andreas Schnauder, 10.9.2017)