Der lange Entscheidungsprozess von Irmgard Griss wurde belächelt. Doch die frühere Höchstrichterin verleiht den Pinken Stabilität.

Foto: APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER

Wien – Das pinke Tief scheint überwunden. Nach dem Rücktritt von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wirkte es, als hätte der Neuwahlbeschluss die Neos auf dem falschen Fuß erwischt, zu sehr waren sie mit sich selbst beschäftigt.

Plötzlich wurden alle liberalen Hoffnungen der heimischen Unternehmer auf Sebastian Kurz projiziert, als er dann Neos-Mandatar Sepp Schellhorn zum schwarzen Wirtschaftsminister machen wollte und dieser sich umwerben ließ, kamen die Pinken ordentlich ins Strudeln. Parteichef Matthias Strolz und seine Truppe gerieten in die Defensive.

Nicht selten war zu lesen, dass ein Wiedereinzug ins Parlament schwierig werden könnte, interne Debatten und Überläufer auf unterer Ebene zerrten an den Nerven. Wenig war von der positiven Energie als Inspiration für andere Parteien zu spüren, viel mehr dafür von pinken Plänkeleien.

Den Schatten nutzen

Doch dann strauchelten die Grünen durch den Disput mit Peter Pilz, und auch die SPÖ kam etwa durch die Causa Silberstein ins Taumeln. Für die Neos eine Chance: Sie nutzten den Schatten, den die Krisen der anderen Parteien warfen, um sich auf den Wahlkampf und ihre Kernthemen zu konzentrieren. Jüngste Umfragen sehen sie sicher im Parlament, teilweise auch vor den Grünen.

Bei ihrem Wahlkampfauftakt am Freitag in Wien wurden die Unterstützer noch einmal auf die Auseinandersetzung eingeschworen.

Vielfach belächelt wurde das Zögern der früheren Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss. Lange ließ sie Strolz zappeln, ob sie mit den Neos gemeinsame Sache machen möchte, und liebäugelte sogar kurz mit Sebastian Kurz. Doch ihr Entschluss, auf Platz zwei der Bundesliste der Neos zu kandidieren, bescherte der Bewegung nicht nur den längsten Listennamen "Neos – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung", sondern gab ihr auch Stabilität.

Unterschiedliche Mitstreiter

Denn das Duo Strolz und Griss könnte kaum unterschiedlicher sein: Strahlt Strolz ein avantgardistisches Revoluzzertum aus, das bei neuen Selbstständigen Anklang findet, kann die frühere Höchstrichterin bei jenen Bürgerlichen punkten, die an Schwarz-Blau nicht alles schlecht finden, aber der Strache-FPÖ Skepsis entgegenbringen.

Strolz' Ansage ist ehrgeizig, aber nicht ganz unrealistisch: Er will am 15. Oktober zweistellig werden. Bei den Wahlen 2013 schaffte seine Partei auf Anhieb 4,96 Prozent, ein Jahr später waren es bei der EU-Wahl 8,14. In den Bundesländern verlief es nicht ganz so glatt, nur in Wien und Vorarlberg gelang der Einzug, im Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterreich blieben sie deutlich unter den Erwartungen.

Im Wahlkampf setzen sie als einzige Partei auf europäische Themen. Warum sie dann mit einem aufblasbaren Einhorn durch Wiens Straßen spazieren, bleibt offen. (Marie-Theres Egyed, 8.9.2017)