Die Brexit-Gegner wollen auch künftig EU-Fahnen in London wehen sehen.

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Viermal tagt das Unterhaus, ehe es wegen der Jahrestreffen aller großen Parteien schon wieder eine dreiwöchige Pause einlegt. Gleich zu Beginn dieser Woche hat Theresa Mays schlingernde Minderheitsregierung zwei harte Bewährungsproben vor sich. Und natürlich geht es um den harten Brexit-Kurs der Konservativen, gegen den am Samstag mindestens 50.000 EU-Freunde in London demonstrierten.

Mit neuen Vorschlägen zur Begrenzung der Einwanderung hat sich Expremier Tony Blair zu Wort gemeldet, er warnt gleichzeitig aber eindringlich vor dem Brexit: "Er würde unsere Stellung in der Welt untergraben."

Rebellen in den eigenen Reihen

Am Montag soll das Parlament in zweiter Lesung über das EU-Austrittsgesetz abstimmen. Die Regierungsvorlage sorgt dafür, dass sämtliche seit dem EWG-Beitritt 1973 geltenden Brüsseler Vorschriften und Direktiven am Austrittstag im März 2019 zu britischem Recht werden. Erst dann soll nach und nach jede einzelne der rund 12.000 Gesetzesregeln daraufhin überprüft werden, ob sie einer Anpassung auf rein britische Verhältnisse bedarf. Wer seiner Vorlage nicht zustimme, warnt Brexit-Minister David Davis, "ebnet den Weg für einen chaotischen EU-Austritt".

Das richtet sich gegen eine Handvoll Rebellen in den eigenen Reihen, vor allem aber gegen die Labour-Opposition. Davis’ Gegenspieler dort, Keir Starmer, hat seine Fraktion auf die Ablehnung des "vollkommen fehlerhaften" Gesetzes festgelegt. Die Empörung richtet sich vor allem gegen einen Passus, mit dem der Regierung die Vollmacht eingeräumt würde, Einzelheiten ohne Beteiligung des Parlaments zu verändern.

Kritik aus eigenen Reihen

Diese sogenannte Heinrich-VIII.-Klausel, benannt nach dem despotischen Tudor-Monarchen (1509–1547), sollte "kein souveränes Parlament der Welt" zulassen, glaubt der frühere Tory-Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, intellektueller Kopf des kleinen Häufleins von EU-Freunden bei den Konservativen. Dass sie gegen ihre Regierung stimmen werden, gilt aber als unwahrscheinlich.

So dürfte das Gesetz in die Ausschüsse überwiesen werden. Deren Besetzung ist am Dienstag Gegenstand einer weiteren Parlamentsabstimmung. Eine Handvoll fanatischer EU-Feinde in der Labour-Fraktion werden die wenigen konservativen Rebellen wohl neutralisieren.

Konservative in Umfragen hinter Labour

Der Eindruck einer dauernd auf der Kippe stehenden, schwachen Regierung bleibt bestehen. In Umfragen liegen die Konservativen seit Wochen hinter Jeremy Corbyns Labour-Partei zurück. Und zuletzt verloren sie eine Reihe von Nachwahlen zu Kommunalvertretungen – in der Anhäufung ein wichtiger Stimmungsindikator. Sogar konservative Medien machen aus ihrer Unzufriedenheit kein Hehl. Die Downing Street wirke "paralysiert", schrieb der Leitartikler der Times, weil selbst kleinste Rebellengrüppchen die Vorhaben der Regierung zu Fall bringen könnten. Der Brexit-Streit schwäche das Kabinett so sehr, dass andere Themen keine Rolle spielten.

May wirke entscheidungsschwach und taub für die Bedürfnisse der Wirtschaft, glauben selbst langjährige Parteispender der Torys. Dass in der Partei ein reaktionärer Exzentriker wie Jacob Rees-Mogg als möglicher Vorsitzender gehandelt wird, ist ein Ausdruck von Mays Schwäche. (Sebastian Borger aus London, 10.9.2017)