Reflektieren Orang-Utans über ihr eigenes Wissen? Neue Experimente sprechen dafür.

Foto: imago/Nature Picture Library

Leipzig/Wien – Das Vermögen, über das eigene Wissen zu reflektieren, ist nicht dem Menschen allein vorbehalten. Schon in der Vergangenheit fanden mehrere Studien Hinweise darauf, dass auch Primaten zur Metakognition fähig sein könnten. Ein internationales Forscherteam konnte nun in Experimenten konkret zeigen, dass Schimpansen und Orang-Utans erkennen können, wenn ihnen wichtige Informationen zum Lösen einer Aufgabe fehlen.

Das Team um Manuel Bohn vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Christoph Völter von der schottischen Universität St. Andrews untersuchte, inwiefern Menschenaffen ihr eigenes Wissen bewusst ist. Für die Studie in "Scientific Reports" sollten Schimpansen und Orang-Utans die genaue Lage eines Objekts bestimmen, das hinter einer kleinen Barriere auf einem Tisch verborgen war.

Wissen über versteckte Objekte

In einigen Fällen zeigten die Forscher den Tieren vorab, wo sich das Objekt befand, in anderen Fällen nicht. Im Moment der Entscheidung war der Gegenstand jedoch immer versteckt. Die zentrale Frage war nun, ob die Tiere erst einmal einschätzen würden, was sie über den Aufenthaltsort des Objekts wissen, bevor sie eine Wahl treffen.

Genau das war offenbar der Fall war. Hatten die Affen vorab keine Informationen erhalten, versuchten sie, diese Wissenslücke zu schließen: Sie kletterten oder reckten sich und spähten über die Barriere, bevor sie ihre Wahl trafen. Mit Vorwissen trafen die Tiere hingegen schneller und ohne Späh-Versuche eine Entscheidung.

Bewusster Informationsbedarf

Doch lässt sich daraus eindeutig schließen, dass den Menschenaffen, die keine Hinweise erhielten, ihr Informationsdefizit bewusst ist? "Frühere Studien zeigten, dass Menschenaffen nach Informationen suchen, wenn Futter im Spiel ist – ein Verhalten, das der Nahrungssuche dienen könnte und nicht zwingend Teil eines metakognitiven Prozesses wäre", sagte Bohn. Um diese Möglichkeit auszuschließen, verwendeten die Biologen nicht nur Futter sondern auch Werkzeuge als Testobjekte.

In beiden Fällen suchten sowohl Schimpansen als auch Orang-Utans nach zusätzlichen Hinweisen. Die Forscher schließen daher aus, dass dieses Verhalten auf bestimmte Objekte beschränkt ist. "Unsere Studie legt nahe, dass Menschenaffen mehr wissen wollen, vor allem dann, wenn ihnen eine wichtige Information fehlt, wie zum Beispiel der Aufenthaltsort eines benötigten Werkzeugs", sagte Völter. "Die Ergebnisse zeigen, dass Menschenaffen ihr eigenes Wissen überwachen und dass sie diese Fähigkeit flexibel nutzen, um vorhandene Wissenslücken zu schließen." (red, 12.9.2017)