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Das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz sei ein "großkoalitionäres Therapiegespräch" gewesen, so Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch.

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STANDARD: Was antworten Sie, wenn jemand sagt: Von Ihnen würde ich mich regieren lassen, aber nicht von Sahra Wagenknecht.

Bartsch: Die Regierungsfrage ist im Wahlkampf nicht zentral. Für uns geht es um Stimmenmaximierung, da ist das Angebot der Linken-Spitzenkandidaten – Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch – das Beste.

STANDARD: Sie und viele Linke wären bereit mitzuregieren. Aber Frau Wagenknecht sagt ja, Rot-Rot-Grün sei tot. Wie passt das zusammen?

Bartsch: So hat sie es nicht gesagt. Sie hat kritisiert, dass keine Wechselstimmung aufkommt, weil das Angebot der SPD keines auf Wechsel ist. Das hat auch das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz gezeigt. Das war ein großkoalitionäres Therapiegespräch. Außerdem entscheidet man sich im Wahllokal für eine Partei. Es ist eine deutsche Unart, wenig über Inhalte, aber viel über Konstellationen zu reden. Die werden nach der Wahl gemacht.

STANDARD: Haben Sie mit SPD-Chef Martin Schulz Gespräche über Rot-Rot-Grün vereinbart?

Bartsch: Das ist Beschlusslage bei der Linken und der SPD. Wenn es am Wahlabend eine Mehrheit jenseits der Union gibt, das versichere ich, wird es auch Gespräche geben. Dass wir an diesem Punkt sind, also weiter als vor vier oder acht Jahren, ist das eigentliche Ereignis. Eines unterscheidet die Linke übrigens von SPD, Grünen und FDP: Keiner unserer Abgeordneten würde die Kanzlerschaft von Angela Merkel verlängern. Die anderen würden einen Wettlauf ins Kanzleramt beginnen, wenn es das Ergebnis hergibt.

STANDARD: Merkel will mit den Linken nicht koalieren. Warum Sie eigentlich nicht mit ihr? Im Osten gibt es durchaus Zusammenarbeit.

Bartsch: Merkels "Es geht allen gut" stimmt doch so nicht. Dass wir eine steigende Zahl von Vermögensmillionären haben, sogar 186 Milliardäre, dass die 36 Reichsten davon so viel besitzen wie die Hälfte der Bevölkerung – das ist doch nicht in Ordnung. Gleichzeitig steigt die Zahl der Kinder, die in Armut leben oder armutsgefährdet sind, inzwischen auf über zwei Millionen. Ein Land, in dem Kinderreichtum zum Armutsrisiko wird und alte Menschen Pfandflaschen sammeln, ist kein funktionierender Sozialstaat.

STANDARD: Wenn es so vielen Menschen schlecht geht, warum sind die Umfragewerte der Linkspartei nicht besser?

Bartsch: Ich verstehe auch nicht, wieso wir nicht bei 20 Prozent liegen, mindestens. (lacht) Aber Sie müssen sehen, wo wir herkommen. Im Wahlkampf wird immer noch erzählt: "Die wollen die DDR wiederhaben." Unendlicher Unsinn! Und wir werden weiterhin vom westdeutsch geprägten Politikbetrieb als Exoten wahrgenommen. Entscheidend für mich ist aber: Wir stehen eher besser da als vor der Wahl 2013, obwohl die unsägliche AfD dazugekommen ist. Andere haben verloren.

STANDARD: Liegt es vielleicht auch daran, dass viele Westdeutsche die Nato eben nicht abschaffen wollen und auch nichts gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr haben?

Bartsch: Wir wollen die Nato in ein System kollektiver Sicherheit unter Einschluss Russlands umwandeln, weil sie ein Relikt des Kalten Krieges ist. Was die Bundeswehr angeht: Deutschland ist in 14 Kampfeinsätzen. Ist die Terrorgefahr geringer und der Frieden sicherer geworden? Aber natürlich kann auch die Linke nicht alle 14 Einsätze von einem Tag auf den anderen beenden.

STANDARD: Passt es zwischenmenschlich jetzt eigentlich zwischen SPD und Linken so weit, dass man koalieren könnte?

Bartsch: Da sehe ich kein Problem. SPD und Linke regieren in Kommunen und Ländern erfolgreich miteinander, selbstverständlich gehen wir uns auch im Bundestag nicht aus dem Weg. Die eigentliche Herausforderung ist das Politische. Wir brauchen einen substanziellen Politikwechsel. (Birgit Baumann, 13.9.2017)