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Der UN-Sicherheitsrat in New York hat einstimmig eine Resolution verabschiedet, die die Öllieferungen an Nordkorea deckelt sowie die Gas- und Textilexporte des Landes verbietet.

Foto: REUTERS/Stephanie Keith

Die Tinte unter den neuen UN-Sanktionen nach dem jüngsten Atombombentest Nordkoreas ist noch nicht trocken, da setzt der Krieg der Worte wieder ein. In Europa tun skeptische Beobachter die UN-Strafen wegen Chinas und Russlands Einsprüchen als "verwässert" ab. Nordkorea schoss eine Salve an Drohungen ab. Es werde seine atomare Aufrüstung noch schneller vorantreiben und die Provokationen der USA mit "verdoppelter Anstrengung" vergelten. US-Präsident Donald Trump meldete sich ebenfalls warnend: Diese Sanktionen seien "sehr kleine Schritte", kein "großer Deal" und "nicht vergleichbar mit dem, was letztlich noch zu geschehen hat".

In China loben dagegen kritische Nordkorea-Experten, die bislang die Politik ihrer Regierung gegenüber Pjöngjang für Beschwichtigung hielten, dass Peking über seinen Schatten springt. Wirtschaftlich, indem die Volksrepublik, die 91 Prozent des Gesamthandels mit Nordkorea bestreitet und mehr als 80 Prozent des Öls liefert, bereit ist, die Hauptlast der neuen Sanktionen zu tragen. Politisch, weil "der Ölboykott, bei dem wir unsere Lieferungen um 30 Prozent kürzen müssen, dem Kim-Regime erstmals wehtut", sagt der Nordkorea-Experte Zhang Liangui, Forscher an der ZK-Parteihochschule. "Die Ölzufuhr zu beschränken hat mehr Einfluss als alle früheren Maßnahmen. Pjöngjang spürt die Krise. Jetzt heißt es abzuwarten, wie Machthaber Kim Jong-un reagiert."

Zhang glaubt, dass Kim mit seinem jüngsten Atombombentest in seinem Verhältnis zu China den Bogen überspannt hat. Auch der bevorstehende erste Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump habe Chinas Zustimmung zu den Sanktionen beschleunigt. "Sie sind ein Kompromiss mit den USA, bei dem aber beide Seiten nachgegeben haben."

Trump-Besuch nach Parteitag

Trump will in der ersten Novemberwoche Peking besuchen. Er kommt fast direkt nach Ende des 19. Wahlparteitags, auf dem sich Staatschef Xi Jinping von seiner Partei uneingeschränkte Macht für weitere fünf Jahre verleihen lassen wird. Peking wolle gerade zu diesem Zeitpunkt zusätzlichen Streit über Nordkorea mit den USA vermeiden, mit denen es andere Handelskonflikte ausfechten muss. China habe auch abgewogen, wie schwer die von den USA angedrohten Sekundärsanktionen seine Banken und Unternehmen treffen, sagt Zhang.

US-Finanzminister Steve Mnuchin sagte in New York, dass die USA Chinas Zustimmung zum neuen UN-Beschluss als "historische Entscheidung" werteten. Dann drohte er: Wenn Peking die Sanktionen nicht umsetzen lasse, "werden wir zusätzliche Sanktionen gegen seine Finanzinstitute ergreifen und ihnen den Zugang zum internationalen Dollarsystem verwehren". Mnuchins Finanzministerium veröffentlichte inzwischen detaillierte Angaben über die Sanktionen.

Ölbeschränkungen

Für Zhang zählen vor allem die Ölbeschränkungen. Sie würden die Kampfkraft von Nordkoreas 1,1-Millionen-Mann Armee, seiner Panzer und Flugzeuge schwächen. Dem stimmen namhafte Nordkorea-Experten wie Lü Chao von der Liaoning-Akademie für Sozialwissenschaften zu. Chinas Liefermix an Rohöl und raffinierten Produkten für Nordkorea werde um 40 Prozent reduziert. "Das ist ein riesiger Schlag für Nordkoreas Energieversorgung", sagte er der "Global Times." Falls Nordkorea seine Nuklearwaffen weiter ausbaut, würde China einen totalen Öllieferboykott erwägen, schrieb das Parteiblatt.

Kim soll für den Fall von Sanktionen vorgesorgt haben, meldete Südkoreas Nachrichtenagentur Yonhap. Schon im April habe er die Behörden angewiesen, die Ölreserven auf eine Millionen Tonnen zu erhöhen. Das entspräche etwa dem Doppelten der jährlich aus China importierten Menge an Rohöl. Einen Teil des Öls – nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 300.000 Tonnen – beziehe Kim auch aus Russland.

Mit anderen Sanktionsvorhaben – neben Ölexporten nach Nordkorea und dem Verbot von Textilimporten – setzten sich die USA bei Peking und Moskau nicht durch. Dabei ging es um die Sperrung der Grenzen, den Boykott der Fluglinie Air Koryo und das Einfrieren aller Privatkonten, die Kim oder seine Familie im Ausland besitzen sollen.

China gegen Regimewechsel

Chinas UN-Unterhändler Liu Jieyi forderte die USA auf, Nordkorea Verhandlungen anzubieten und dabei zu garantieren, dass man keinen versteckten Plan für einen Regimewechsel oder den Zusammenbruch des Systems verfolgt. US-Außenminister Rex Tillerson hatte das zuvor Chinas Außenminister Wang Yi versprochen. Falls Nordkoreas Führung zu Gesprächen mit den USA über den Abbau ihrer Atomwaffen bereit sei, würde Washington zusagen, keine beschleunigte Wiedervereinigung Koreas unter Seouls Regie zu unterstützen oder US-Truppen über die Waffenstillstandsgrenze des 38. Breitengrads nach Norden vorstoßen zu lassen, sagte Tillerson.

Tatsächlich ist es vor allem China, das von den USA Zusicherungen hören will, nicht gewaltsam das Kim-Regime zu stürzen. Nordkorea soll als Pufferstaat gegen ein mit den USA verbündetes Südkorea erhalten bleiben. UN-Botschafter Liu warnte die USA vor einseitigen Militäraktionen: "China wird niemals erlauben, dass es zu Chaos und Krieg auf der Halbinsel kommt."

Das ist wohl der entscheidende Grund, warum Peking jetzt sehr weitgehende, aber eben keine destabilisierenden Sanktionen unterstützt. Dabei weiß es, dass es ohne Regimewechsel keine atomwaffenfreie Zone geben wird. "Das ist der Widerspruch bei uns. Kim wird sich seine Atombomben nicht durch Verhandlungen wegnehmen lassen", sagt Zhang.

Iran-Gespräche als Vorbild

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, die vergangene Woche mit Staatschef Xi über die Nordkorea-Krise telefonierte, brachte über ihr Interview mit der "FAZ" eine Lösung für Nordkorea nach Muster der Iran-Atomverhandlungen ins Gespräch. Ihr Angebot zur Vermittlung wurde von Peking begrüßt. "China Daily" kommentierte: "Merkel verbreitet einen Hoffnungsschimmer."

Doch Chinas Nordkorea-Forscher halten die Iran-Formel für nicht praktikabel. "Pjöngjang hat sie schon früher abgelehnt." Anders als der Iran verfüge Nordkorea über ein entwickeltes Atomwaffenarsenal, das es sich nicht abverhandeln lasse. Es sei zugleich ein hochisolierter Staat, der Sanktionen besser aushalte als der Iran mit seiner weltoffenen Bevölkerung. "Kim muss auf sein Volk keine Rücksicht nehmen", sagt Zhang. Das mache es für alle so schwer, mit ihm zu verhandeln. (Johnny Erling aus Peking, 13.9.2017)