2016 war Lidwina Dox auf Lesbos aktiv, dieses Jahr reist sie mit dem Roten Kreuz nach Bangladesch.

Foto: Daniel Garnier

Cox's Bazar/Wien – Im bengalischen Distrikt Cox's Bazar kümmern sich Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und dessen muslimische Schwesterorganisation Roter Halbmond um tausende Flüchtlinge, die aus dem benachbarten Myanmar geflohen sind. Zwischen Sandstränden und Naturschutzparks, die paradiesische Zustände vermuten lassen, liegen zwei große Flüchtlingslager – Kutupalong und Nayapara – und mehrere kleine Camps, die zusammen inzwischen über 100.000 Flüchtlinge beherbergen.

Lidwina Dox ist eine von sechs Rotkreuz-Delegierten, die im Rahmen einer "Fact-Finding-Mission" die Zustände in den Camps untersuchen sollen. Eines weiß sie jetzt schon: "Paradiesisch" trifft auf diese Orte nicht zu.

370.000 auf der Flucht

In dem betroffenen Gebiet, das sich in unmittelbarer Nähe des Grenzflusses Naf befindet, leben großteils Angehörige der Rohingya-Minderheit, die in Myanmar keinen Anspruch auf Staatsbürgerschaft haben und verfolgt werden. Seit sich der Konflikt, der sich hauptsächlich in der westlichen myanmarischen Verwaltungseinheit Rakhine abspielt, vor einigen Wochen verschärft hat, sind den Vereinten Nationen zufolge tausende Menschen gestorben und rund 370.000 nach Bangladesch geflohen. Ein Ende der Kämpfe ist nur bedingt in Sicht – zwar haben die Rohingya eine Waffenruhe ausgerufen, die bis 9. Oktober anhalten soll, doch was danach geschieht, lässt sich nicht sagen.

In Flüchtlingscamps wie Nayapara, Kutupalong und anderen sind mittlerweile über 100.000 Flüchtlinge untergekommen.

In ihrem Team ist Dox die einzige Österreicherin. Die anderen kommen aus Kanada, Finnland, Katar, Australien und den USA, jedes Mitglied wird sich mit einer anderen Thematik auseinandersetzen. "In Österreich haben wir den Schwerpunkt auf Wasser, Hygiene und sanitäre Einrichtungen gesetzt. Andere kümmern sich um Unterkünfte, medizinische Versorgung oder Nahrung – die Eckpunkte, die notwendig sind, um das Überleben zu sichern", sagt Dox im Gespräch mit dem STANDARD.

Was genau sie in den Flüchtlingslagern vorfinden wird, weiß sie nicht. Doch sie geht davon aus, dass die Trinkwasserversorgung und die sanitären Anlagen, wenn überhaupt, nur dürftig vorhanden sein werden. Außerdem sei Monsun-Saison, das werde alles zusätzlich erschweren.

Gefährliche Flucht über Grenzfluss

Trotz allem treten weiterhin tausende Rohingya die Flucht nach Bangladesch an. Diese ist voller Hindernisse – nicht nur die verstreuten Landminen, sondern auch der Grenzfluss Naf stellen eine ständige Gefahr dar: Hier starben bereits dutzende Menschen, nachdem ihre meist überfüllten Fluchtboote gekentert waren. Erst Ende August wurden innerhalb weniger Tage 39 Leichen aus dem Fluss geborgen. Wenig später, am 6. September, kenterten erneut mindestens elf Boote mit je rund 25 Personen an Bord. Viele davon werden weiterhin vermisst. Ob es genaue Pläne dazu gibt, die Überquerung des Flusses zu erleichtern, weiß Dox nicht. Doch "daran muss natürlich gearbeitet werden".

In den bengalischen Flüchtlingscamps an der Grenze zu Myanmar sind hauptsächlich Rohingya untergebracht.
Foto: AFP/ K M ASAD

Nach einer Bestandsaufnahme wird das sechsköpfige Delegiertenteam die Aufgabe haben zu entscheiden, ob weitere Unterstützung gebraucht wird. Jeder kümmert sich dabei um sein eigenes Gebiet, Dox also um Wasser und Hygiene. "Wir haben einen Pool an Mitarbeitern, die in diesem Themenbereich Experten sind. Sie haben die Grundausbildung gemacht, die von jedem erfordert wird, und sich dann auf etwas spezialisiert, das mit Wasser oder Hygiene oder sanitären Einrichtungen zu tun hat."

Aus diesen Mitarbeitern, die laut Dox hauptsächlich aus Österreich, Deutschland und Schweden kommen, würden dann eine oder mehrere Sondereinheiten zusammengestellt werden, je nachdem, was notwendig sei. Das sei oft eine organisatorische Herausforderung, so die Rotkreuz-Delegierte, denn ein Großteil der Mitarbeiter der Hilfsorganisation seien Freiwillige, die sich freistellen lassen müssen. "Es muss meistens aber schnell gehen."

Sondereinheiten möglicherweise notwendig

Dass Sondereinheiten notwendig sein werden, scheint wahrscheinlich, schließlich spitzt sich die Situation immer weiter zu: Die UN nennen die jüngsten Vorkommnisse "humanitäre Katastrophe" und "ethnische Säuberung", der Europäische Rohingya-Rat redet gar von einem "schwelenden Völkermord". Dox will sich lieber nicht festlegen: "Politisch angehauchte Aussagen kann ich nicht machen, das steht mir nicht zu." Tatsache sei dennoch, dass seit 25. August mehr als 300.000 Menschen gezwungen worden seien, ihre Heimat zu verlassen, und das bedeute, dass eindeutig etwas nicht in Ordnung sei. Und: "Es gibt sicher Menschenrechtsverletzungen. Da braucht man nicht diskutieren." (Carla Márquez, 14.9.2017)