Wien – Die Beziehung zwischen Hans J. und Frau P. war entweder eine sehr seltsame Liebesgeschichte. Oder nicht existent und nur eine von Frau P. benutzte Ausrede, um Teile des Erbes von Herrn J. zu bekommen. Welche Version stimmt, muss ein Schöffensenat unter Vorsitz von Olivia-Nina Frigo klären.

Die Frage nach ihrem Beruf beantwortet die 61-jährige Angeklagte, der schwerer Diebstahl, Betrug, Untreue und Urkundenunterdrückung vorgeworfen werden, mit: "Ich bin jetzt Schriftstellerin, da geht man natürlich nicht in Pension." – "Und wie hoch ist Ihr Einkommen?", will Frigo wissen. "Überhaupt nichts, damit verdiene ich nichts. Ich bekomme Unterhalt von meinem Mann."

Komplizierte Familienstruktur

Und damit ist man bei der komplizierten Familienstruktur von Frau P. angelangt. 1976 hat sie diesen Mann geheiratet, drei Kinder bekommen. 1991 seien Herr J. und sie ein Paar geworden – als beide noch verheiratet gewesen seien. In den Nullerjahren ließ sich J.s Frau scheiden, zog aber erst 2005 aus der gemeinsamen Wohnung. 2011 erwirkte der Gatte der Angeklagten die Scheidung, danach habe sie sich mit Herrn J. verlobt. Geheim. "Er wollte auf eine passende Gelegenheit warten, um es seinen drei Söhnen zu sagen." Nur J.s Mutter und einige seiner Freunde hätten von der Beziehung gewusst.

"Das hat aber lange gedauert, bis auch Sie geschieden waren", wundert sich Frigo. "Es ging um die Verschuldensfrage. Sie ist aus seinem Verschulden geschieden worden, er hat sie zerrüttet", lautet die überraschende Begründung. Noch überraschender ist, dass sie in der Wohnung blieb und nicht zu Herrn J. in dessen nahes Haus zog. "Ich habe dort regelmäßig gewohnt", behauptet sie. Herr J. habe aber ihre Toiletteartikel versteckt, wenn ein Verwandter zu Besuch kam, daher hätten seine Söhne nichts bemerkt.

Tod drei Monate nach Tumordiagnose

Im Jänner 2015 wurde bei Herrn J. ein Gehirntumor diagnostiziert, Ende März 2015 starb er mit 70. In dieser Zeit bekam die Angeklagte von ihm eine Kontovollmacht, soll Sparbücher samt Losungswort geschenkt bekommen haben, darüber hinaus sollen Goldmünzen im Wert von 37.000 Euro und ein teurer Teppich verschwunden sein.

Die Sparbücher seien Geschenke gewesen, beteuert Frau P., über Münzen und Auslegeware wisse sie nichts. Man sei nach der Diagnose auch gemeinsam beim Notar gewesen, dort ging es primär um das Erbe von J.s kurz davor verstorbener Mutter. Und nebenbei um das Fruchtgenussrecht an zwei Liegenschaften J.s, dass Frau P. bekommen sollte.

Tatsächlich wurde ein Vertrag verfasst, aber von J. danach nicht unterschrieben. "Weil er mir zur finanziellen Absicherung die Sparbücher gegeben hat", führt die Angeklagte wortreich aus. Seltsamerweise behaupten aber sowohl der Notar als auch ein Bankangestellter, dass Herr P. geistig nicht ganz klar gewesen sei. Die Angeklagte sagt dagegen, die Söhne würden Druck auf die Zeugen ausüben.

Belastendes Tagebuch

Noch seltsamer ist, dass Frau P. in ihrem Tagebuch im fraglichen Zeitraum beispielsweise festhielt, Herr J. würde ihr vorwerfen, "nach dem Geld zu gieren". Bereits Mitte Jänner klagte sie auch mehrmals darüber, dass Herr J. verwirrt sei, Wochentage und Namen verwechsle. "Die Tagebücher sind nicht immer real, das ist nicht eins zu eins umzulegen", beruft sie sich auf künstlerische Freiheit.

Mittlerweile ist sie übrigens wieder mit ihrem Ex-Mann verheiratet, der ein Pflegefall wurde. "Er hat gesagt, er hat etwas gutzumachen. Und ich hatte ja keine Perspektive", begründet sie die neuerliche Eheschließung. Am Finger trägt sie allerdings nach wie vor den angeblichen Verlobungsring von Herrn J., keinen Ehering.

Für weitere Zeugen vertagt. (Michael Möseneder, 14.9.2017)