Käse ist meiner Meinung nach die beste Nachspeise, sei es klassisch stinkend und gereift oder als Topfentorte, Käsekuchen und Konsorten. Ein besonders appetitliches Mitglied der Käse-Dessert-Familie kommt aus dem hohen Norden: Ostkaka, die wortwörtliche schwedische Übersetzung von Käsekuchen ("ost" heißt Käse, "kaka" Kuchen).

Ostkaka macht seinem Namen alle Ehre: Manche Versionen bestehen aus nichts als frischem Käse, und selbst die Gewürzten werden nur leicht aromatisiert und – meiner Meinung nach das Erfreulichste – sehr dezent gezuckert. Der Kuchen ist damit eine wunderbare Gelegenheit, die Milch ins Rampenlicht zu rücken. Marmelade und (Sauer-)Rahm stehen denen bei, denen das Ergebnis zu puristisch ist.

Foto: Tobias Müller

Die Skandinavier haben eine Fülle an Milchrezepten entwickelt und sind generell weltweit die größten Milchkonsumenten: Roh landet sie im Kaffee, von denen sie weltweit ebenfalls am meisten trinken; ohne Butter, Obers und Sauerrahm ist ein Essen in Schweden und Norwegen schwer vorstellbar – ich habe diesen Sommer drei Wochen dort verbracht und glaube nicht, dass ich eine einzige Mahlzeit ohne eine der drei Zutaten gegessen habe.

Käsesandwich ist so etwas wie Norwegens Nationalgericht; die Molke wird eingekocht und als "Brauner Käse" (ähnlich dem Vorarlberger Sig, nur viel cremiger) auf diverse Flachbrote von Palatschinken bis Knäckebrot geschmiert. Bei keinem Frühstücksbuffet darf Filmjölk fehlen, eine zart-saure Mischung aus Kefir und Joghurt. Kurz: Die Skandinavier kennen sich aus mit Milch.

Mit Lab spielen

Bei der ersten Lektüre von Magnus Nilssons großartigem "Nordic Cookbook" waren die Milchdessertrezepte die ersten, bei denen ich hängengeblieben bin und die ich unbedingt ausprobieren wollte. Allen voran hat es mir der "Ostkaka" angetan. Je nach Region wird die Milch pur verarbeitet oder mit Eiern, Obers, Mandeln und Bittermandeln vermengt und dann im Ofen gebacken. Bei einigen Varianten wird der Käse vor dem Servieren noch in Obers getränkt. Ostkakas sind nicht besonders schwer zu machen und haben gleichzeitig einen großen Vorteil: Der Ostkaka-Bäcker darf mit Lab spielen und die magische Verwandlung von flüssiger Milch in herrlich wabernden Frischkäse bewundern.

Nilsson gibt in seinem Buch zwei Rezepte an, ich habe beide ausprobiert: die aus der südschwedischen Provinz Småland und die aus Hälsingland in der Mitte des riesigen Landes. Das Prinzip ist bei beiden gleich: Milch wird mit ein klein wenig Mehl gemischt, erwärmt, bis sie die optimale Temperatur für die Enzyme im Lab hat, und dann mit Lab zum Gerinnen gebracht. Der Frischkäse wird abgeseiht und dann gebacken, bis er eine mehr oder weniger feste Konsistenz hat.

Regionale Varianten

Die Unterschiede liegen in der Würze: Die südliche Småland-Variante ist üppiger, sie wird mit Zucker, Mandeln und Bittermandeln gewürzt und mit Ei und Obers zusätzlich eingedickt. Das Ergebnis ist ein wenig bröckelig und hat, je nach Sichtweise, eine ähnliche Konsistenz wie Grießkuchen oder übergarte Creme bruleé, mit Biss und einer Idee von warmer Frischmilch. Die Nüsse sorgen für eine dezente Würze, der Kuchen ist trotz sehr dezenten Zuckereinsatzes angenehm süß, ohne aufdringlich zu werden.

Statt Bittermandeln habe ich wegen der leichten Verfügbarkeit Zwetschkenkern-Kerne genommen: den Zwetschkenkern (oder Marillen- oder Kirschkern) mit einem Hammer oder Ähnlichem aufbrechen und den nussartigen Kern im Inneren herausnehmen. Er riecht und schmeckt sehr ähnlich wie Bittermandeln. Achtung: Nicht in großen Mengen konsumieren, da wird das Zeug giftig.

Die nordische Hälsingland-Variante ist puristisch: Sie besteht aus nichts als ungewürztem Frischkäse, der dafür vor dem Servieren in Obers getränkt und nochmal gebacken wird. Gern würde ich mich hier weiter über die Feinheiten dieser Version auslassen, allein, sie ist mir nicht geglückt: Ich glaube, meine Milch war bei der Labzugabe zu kalt, auf jeden Fall ist sie nicht ordentlich geronnen, statt eines festen Kuchens hatte ich daher auch nach 1,5 Stunden backen einen halbflüssigen Käsegatsch. Der hat allerdings abgeseiht gut genug geschmeckt, dass ich sicher noch einen Versuch wagen werde – es hat das Zeug zum besseren Rezept. Unten findet sich daher trotzdem Nilssons Anleitung.

Nilsson empfiehlt, den Kuchen mit nicht homogenisierter Rohmilch zu machen. Ich habe für meinen erfolgreichen Kuchen mit einer Mischung aus Rohmilch von Kuh und Schaf und pasteurisierter, homogenisierter Supermarktmilch (war grad nicht anders zu bekommen) gearbeitet – beides hat wunderbar funktioniert. Schöner – wenn schon nicht für die Esser, dann zumindest für den Koch – ist es natürlich, nur mit dicker, gut riechender Rohmilch mit ordentlichem Obersfilm obendrauf zu arbeiten.

Sie brauchen keinerlei besonderes Gerät für Ihren schwedischen Käsekuchen, noch nicht einmal eine Küchenmaschine oder ein Mixer ist nötig. Bloß Labextrakt müssen Sie sich besorgen – glücklicherweise ist es ganz einfach und sehr günstig in jeder Apotheke bestellbar.

Ostkaka ist laut Nilsson übrigens klassisches schwedisches Feiertagsessen, das zu besonderen Anlässen wie Ostern oder Weihnachten serviert wird. Wer einen terminlich näherliegenden Grund braucht: Der 14. November ist in Schweden offizieller Ostkaka-Tag.

Ostkaka, üppig (nach Småland-Art)

Drei Liter in einen Topf geben und 50 Gramm Mehl hineinsieben, dann mit einem Schneebesen ordentlich unterrühren, damit nichts klumpt. Die Milch vorsichtig (sonst brennt sie an) auf 35 Grad erhitzen. Derweil das Labextrakt im Verhältnis von ungefähr 1:6 mit Wasser verdünnen. Ich habe für drei Liter Milch drei Milliliter Labextrakt mit 16 Milliliter Wasser vermischt.

Foto: Tobias Müller

Wenn die Milch die gewünschte Temperatur erreicht hat, von der Hitze nehmen, das Labgemisch dazugießen, ordentlich durchrühren, zudecken und 30 Minuten stehenlassen – danach sollte sie geronnen sein. Die wabernde Masse mit einem Messer mehrmals durchschneiden (oder den Schneebesen eintauchen und durchziehen) und erneut 30 Minuten stehenlassen, damit sich die Molke besser absetzt.

Foto: Tobias Müller

Den Frischkäse abseihen: dafür ein sauberes Geschirrtuch in ein Sieb legen, auf einen Topf geben und die geronnene Milch in das Sieb kippen. Eine weitere halbe Stunde warten, bis der Käse einigermaßen abgetropft ist. Das Backrohr derweil auf 175 Grad vorheizen.

Foto: Tobias Müller

Drei Eier und 50 Gramm Zucker mit dem Schneebesen mischen, 40 Gramm geriebene Mandeln und drei geriebene Zwetschkenkern-Kerne dazu geben, 300 ml Obers zugießen und alles gut vermischen.

Foto: Tobias Müller

Die Mischung zum Frischkäse geben und gut unterheben, ohne die Käsebrocken komplett zu zerstören.

Foto: Tobias Müller

Eine Kuchenform buttern, die Kuchenmasse hineingießen und ungefähr eine Stunde backen. Der Kuchen sollte oben schön gebräunt sein.

Foto: Tobias Müller

Herausnehmen, etwa eine Stunde auskühlen lassen und lauwarm oder später kalt servieren. Wer will, gibt Schlagobers oder Sauerrahm, Marmelade oder Zwetschkenröster dazu.

Foto: Tobias Müller

Ostkaka, puristisch (nach Hälsingland-Art)

Vier Liter Milch (Nilsson nimmt fünf, das fasst mein Topf nicht) in einen Topf geben und 50 Gramm Mehl hineinsieben, dann mit einem Schneebesen ordentlich unterrühren, damit nichts klumpt. Die Milch vorsichtig (sonst brennt sie an) auf 35 Grad erhitzen. Achtung: Das geht schneller als gedacht, und wieder hinunterkühlen lassen dauert gut und gern eine Stunde für fünf Grad. Derweil das Labextrakt im Verhältnis von ungefähr 1:6 mit Wasser verdünnen. Ich habe für vier Liter Milch drei Milliliter Labextrakt mit 16 Milliliter Wasser vermischt.

Wenn die Milch die gewünschte Temperatur erreicht hat, von der Hitze nehmen, das Labgemisch dazugießen, ordentlich durchrühren, zudecken und 30 Minuten stehenlassen – danach sollte sie geronnen sein. Die wabernde Masse mit einem Messer mehrmals durchschneiden (oder den Schneebesen eintauchen und durchziehen) und erneut 30 Minuten stehenlassen, damit sich die Molke besser absetzt.

Den Frischkäse abseihen: dafür ein sauberes Geschirrtuch in ein Sieb legen, auf einen Topf geben und die geronnene Milch in das Sieb kippen. Eine Stunde warten, bis der Käse einigermaßen abgetropft ist. Das Backrohr derweil auf 220 Grad vorheizen. Eine Kuchenform buttern, den Frischkäse hineingießen und eine Stunde backen.

Herausnehmen und abkühlen lassen. Vor dem Servieren portionieren, die Portionen mit Obers oder Sauerrahm übergießen und bei 250 Grad im Rohr backen, bis sie Farbe genommen haben, und warm servieren. Wer will, gibt Schlagobers oder Sauerrahm, Marmelade oder Zwetschkenröster dazu. (Tobias Müller, 17.9.2017)

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