Turnsaal einer Wiener Volksschule am Wolfersberg zwischen 1965 und 1970.

Foto: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung / Stadt Wien

APA/PAUL MEISSNER/Wien-Museum

Foto: PAUL MEISSNER/WIEN MUSEUM

Wien – Am Beispiel des 1948 entstandenen Wunderteamgemäldes: Von einem kommunistischen Wiener Stadtrat (Viktor Matejka) bei einem ehemaligen Nationalsozialisten (Paul Meissner) in Auftrag gegeben, zeigt es die vom jüdischen Teamchef Hugo Meisl zusammengestellte Fußballnationalmannschaft um den im heutigen Tschechien geborenen Stürmer Matthias Sindelar beim Einlaufen vor dem quasi "moralischen 3:4-Sieg" gegen England vom 7. Dezember 1932 im Stadion an der Stamford Bridge zu London. "Wenn man dieses Bild lesen kann, dann weiß man schon viel über österreichische Geschichte", sagt Rudolf Müllner.

Geht es nach dem Historiker am Institut für Sportwissenschaften der Universität Wien, wäre Das Wunderteam, das derzeit im Wien-Museum daheim ist, eines der Prunkstücke des Hauses der Geschichte Österreich, das im November 2018 in der Neuen Burg eröffnet wird. Der Sport wird dort Platz haben, "er wird nicht das dominante Thema sein", sagt Müllner, "aber er darf auch nicht quasi auf eine Vitrine reduziert sein", ergänzt Historikerkollege Matthias Marschik. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Sport sei kein bloßer Zusatz, die Implementierung im Haus der Geschichte symbolisiere gleichsam den Anschluss an die ernsthafte Wissenschaft.

Ein Arbeitskreis

Wie Müllner gehört der Kultur- und Medienwissenschaftler Marschik der "Forschungsgruppe Sport" des Hauses der Geschichte an – nur einer von mehreren Arbeitskreisen, die sich mit bisher wenig berücksichtigten Aspekten der österreichischen Geschichte in die Arbeit des Museumskuratoriums einbringen soll.

"Exemplarische Tiefenbohrungen, die auf Terrain führen, das normalerweise nicht verhandelt wird" (Müllner), unternimmt die Forschungsgruppe am Montag und Dienstag im Wiener Haus des Sports im Rahmen des Symposiums "Images des Sports in Österreich – Innensichten und Außenwahrnehmungen".

Images, weil Sport in hohem Maße bildhaft vermittelt werde. Für Marschik gibt es in dieser Hinsicht keinen nur passiven Sportrezipienten, "jeder ist Teil der Sportkultur, weil die Bilder – zum Beispiel von Hermann Maiers Horrorsturz – jedem präsent sind. Um die kommt man nicht herum, auch wenn man sich für Sport nicht besonders interessiert."

Fairness und Slim-Fit

Müllner begegnet der Sport ohnehin auf Schritt und Tritt, etwa im laufenden Wahlkampf, "in dem Fairness verhandelt wird, eine ethische Kategorie, die aus dem Sport kommt". Oder am Beispiel der sogenannten Slim-Fit-Debatte, "da geht es um Körperlichkeit, letztlich Sportlichkeit". Politiker, die dem gängigen Idealbild nicht entsprechen, bekämen zusehends ihre Probleme.

Marschik verweist wiederum auf den Hype um das bei der EM in den Niederlanden höchst erfolgreiche österreichische Frauenfußballnationalteam. Er deutet ihn als Ausdruck, "wie Nation, wie Heimat konstruiert wird, wo sie doch im Sinne der EU weniger wichtig werden sollte. Aber nein, wir konstruieren, auch in einer Art Abwehrreaktion." Daran, dass der Sport eisern an der Bipolarität der Geschlechter festhält, fast schon als eine der letzten Bastionen, ändere der Erfolg des Teams um Kapitänin Viktoria Schnaderbeck aber nichts.

Ein Vorgeschmack

Das Wiener Symposium widmet sich naturgemäß spezielleren Themen. Ob nun der "Fußballstadt Lemberg – Eine österreichisch-polnisch-jüdisch-ukrainische Verflechtungsgeschichte", oder dem "österreichischen Skisport als politische Kampfzone der 1930er-Jahre" sowie dem "nationalen Fit-Lauf und -Marsch als biopolitische Intervention". Die insgesamt 21 Vorträge – ORF Sport+ überträgt zumindest am Dienstag ab 9.30 Uhr live – sind auch ein Vorgeschmack dessen, was das Haus der Geschichte ab Ende nächsten Jahres vor allem leisten soll. Müllner: "Das Museum ist auch als Kommunikationsraum gedacht, in den derartige Themen hineingeführt werden können." (Sigi Lützow, 15.9.2017)