Das Areal rund um die U-Bahn-Station Parsons Green wurde großräumig abgesperrt.

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Eine Bombenentschärfungseinheit nahe Parsons Green.

Foto: Reuters / Hannah McKay

London – Bei einer Bombenexplosion in einem vollbesetzten U-Bahn-Zug in London sind mindestens 29 Menschen verletzt worden. Sie erlitten überwiegend Verbrennungen und wurden ins Krankenhaus gebracht. Keines der Opfer war nach Angaben des Rettungsdienstes schwer oder lebensgefährlich verletzt. Acht konnten bis zum Abend wieder entlassen werden.

Die Polizei ermittelt wegen Terrorverdachts. Ein Verdächtiger wurde durch die Auswertung von Überwachungsvideos identifiziert, wie "Sky News" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete. Offiziell bestätigt wurde dies nicht. Der Chef der Anti-Terror-Abteilung der britischen Polizei, Mark Rowley, sagte lediglich, die Polizei suche mit Hochdruck nach dem Täter. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte den Anschlag am Freitagabend über ihr Propagandaorgan Amaq für sich. Rowley sagte, es sei üblich, dass sich der IS zu Attentaten bekenne, egal, ob er daran beteiligt sei oder nicht.

Höchste Warnstufe

Großbritannien erhöhte die Terrorwarnstufe am Freitagabend von "ernst" auf "kritisch" – die höchste Stufe. Es werde eine höhere Präsenz bewaffneter Polizeikräfte an öffentlichen Plätzen geben, erklärte Premierministerin Theresa May. Die höchste Terrorwarnstufe deutet darauf hin, dass ein Anschlag möglicherweise unmittelbar bevorsteht.

Die Detonation ereignete sich Freitagmorgen gegen 8.20 Uhr, mitten im morgendlichen Berufsverkehr. Die Explosion nahe der oberirdischen Haltestelle Parsons Green wurde durch eine selbstgebaute Bombe verursacht, die offenbar nicht wie geplant explodierte.

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Schwerbewaffnete Polizisten, Feuerwehr und Rettungskräfte sind zur U-Bahn-Station Parsons Green ausgerückt.
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Premierministerin May berief den nationalen Krisenstab ein. Außenminister Boris Johnson rief die Briten auf, Ruhe zu bewahren. Großbritannien war in diesem Jahr bereits mehrfach Ziel terroristischer Angriffe mit insgesamt 36 Todesopfern.

In sozialen Medien kursierten Bilder und Videos von einem weißen Kübel in einem Supermarktsackerl, der die kleine Explosion in dem Wagon ausgelöst haben soll. Aus dem Kübel hingen Drähte. Nach BBC-Informationen wurde der Sprengsatz ferngezündet.

"Widerwärtige Individuen"

Die konservative Regierungschefin May erklärte: "Meine Gedanken sind bei denen, die in Parsons Green verletzt wurden, und den Einsatzkräften, die – wieder einmal – rasch und mutig auf einen mutmaßlichen Terroranschlag reagierten." Bürgermeister Sadiq Khan verurteilte die Bluttat. "Unsere Stadt verurteilt die widerwärtigen Individuen, die mit Terror versuchen, uns zu schaden und unsere Lebensweise zu zerstören", schrieb er.

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In diesem Bild aus einem Video sieht man, dass es an einem weißen Behälter brannte.
Foto: AP / RRIGS

Augenzeugen berichteten von panikartigen Zuständen. Die Menschen seien aus der U-Bahn-Station nach unten auf die Straße gerannt. "Wir liefen die Treppen runter, und es hat sich angefühlt, als würden wir um unser Leben laufen", sagte ein Mann namens Luke dem Sender BBC5. Eine Frau namens Emma schilderte: "Nach einer Weile stapelten sich die Menschen übereinander, weil einige beim Laufen hingefallen waren."

"Terrorismus kennt keine Grenzen"

Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, drückte den Opfern am Freitag sein Mitgefühl aus. "Terrorismus kennt keine Grenzen und wird besiegt, indem man zusammenarbeitet", erklärte Tajani auf Twitter. Auch die deutsche Regierung äußerte ihre Besorgnis.

US-Präsident Donald Trump rief zu einem härteren Vorgehen gegen Extremisten auf. Terroristen wie die in London seien Verlierer ("loser"), twitterte Trump.

In einem zweiten Tweet schrieb Trump, das Internet sei das wichtigste Rekrutierungswerkzeug der Terroristen: Dieses müsse "abgeschnitten und besser genutzt" werden. Bei den Terroristen handle es sich um kranke und verrückte Leute, die die Polizei von Scotland Yard bereits im Auge gehabt habe. "Müssen proaktiv sein!", schrieb Trump.

Premierministerin May und die Londoner Polizei bezeichneten Trumps Kommentare als "nicht hilfreiche Spekulation". Derzeit ist noch unklar, ob die britischen Behörden konkrete Hinweise darauf hatten, wer hinter der Detonation des Sprengsatzes steckte und ob ihnen der oder die möglichen Täter tatsächlich bereits im Vorfeld bekannt waren. Träfe dies zu, dann hätte Trump die brisante Information preisgegeben, bevor die britischen Behörden damit an die Öffentlichkeit gingen.

Bereits mehrere Anschläge dieses Jahr

Bei dem Anschlag handelte es sich um den vierten in diesem Jahr in der britischen Hauptstadt und den fünften in Großbritannien. Im März war ein Attentäter auf der Londoner Westminster Bridge mit einem Auto gezielt in Fußgänger gerast, bevor er einen Polizisten auf dem Gelände des Parlaments niederstach. Fünf Menschen starben.

Bei einem Bombenattentat auf die Besucher eines Konzerts in Manchester im Mai starben 22 Menschen. Acht Menschen verloren ihre Leben bei einem Angriff auf das Londoner Ausgehviertel Borough Market und die London Bridge. Ein Mann kam bei einem Angriff auf Moschee-Besucher Ende Juni in London ums Leben. (APA, red, 15.9.2017)