STANDARD: Haben Sie Ihren Trachtenanzug nach dem Jägerball im Jänner noch einmal angehabt?

Strobl: Nein. Haben Sie mich gesehen?

STANDARD: Ich geh nicht auf Bälle. Sie haben für diesen Anlass Ihren allerersten Trachtenanzug gekauft. Oder gemietet?

Strobl: Schon gekauft, er war ja nicht so teuer. Mir fehlt aber die Expertise bei Trachtenanzügen. Da gibt es ja für jedes Bundesland eine andere Tracht, ich hatte einen Anzug, der für alles geht.

Bei Musik wird er schwach, Zahlen und Risiko der Bank kennt er wie seine Satteltasche: RBI-Chef Johann Strobl.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Ist es ein Muss für den RBI-Chef, auf den Jägerball zu gehen? Jäger sind Sie ja keiner.

Strobl: Kein Muss. Es ist eine Ehre.

STANDARD: Eine Ehre?

Strobl: Ja, ich wurde eingeladen. Ich bin zwar kein Ballgeher, aber es war wirklich gut. Toller Ball.

STANDARD: Haben Sie getanzt?

Strobl: Ich habs vergessen. Ehrlich.

STANDARD: Ich frage, weil als Chef einer der größten Banken des Landes müssen Sie auch repräsentieren. Aber das Gesellschaftliche und Glitzer-Events sind nicht Ihres. Halten Sie Smalltalk inzwischen schon aus?

Strobl: Das Glitzernde ist wirklich nicht meins, aber mir war noch bei keiner Veranstaltung fad. Ich unterhalte mich gern mit Leuten, aber nicht auf dieser Hallo-wie-geht’s-und-Tschüss-Ebene, sondern intensiver. Es gibt kein Gesprächsthema, das mich nicht interessiert, weil ich neugierig bin. Und ich bin ein guter Zuhörer.

STANDARD: Ihre Mitarbeiter glauben in Sitzungen oft, Sie schlafen, weil Sie beim konzentrierten Zuhören den Kopf so hängen lassen.

Strobl: Ja, meine Körperhaltung ist ungünstig. Ich hoffe, sie wird nicht als respektlos oder desinteressiert wahrgenommen – für mich ist sie jedenfalls ungesund.

STANDARD: Dafür müssen Sie beim Reiten gerade sitzen.

Strobl: Aber ich bin schon lang auf keinem Pferd gesessen, ich habe wenig Zeit.

STANDARD: Ich will mit Ihnen über Bankgeschäft, Manager-Attitüden und Pferde reden. Viele Bosse sind eitel, Sie gelten als Ausnahme. Selbst Konkurrenten schreiben Ihnen hohe Expertise im Risikobereich zu, halten Sie für bodenständig und uneitel. Der extrovertierte Manager, der sein Unternehmen vermarktet, seien Sie aber nicht.

Strobl: Ich glaube, dass Leistung und Inhalt zählen. Natürlich sind manchmal gute Präsentationen und Auftritte wichtig, damit man gehört wird und eine Chance zur Vertiefung bekommt. Aber letztlich geht’s dann sehr rasch um die Frage, ob man das Versprochene auch liefern kann – und ob man dabei auch ein bissel besser ist als die anderen. Ich persönlich glaube an Teamleistung, und die muss auch dargestellt werden. Es geht nicht, dass sich einer hinstellt und sagt: Ich bin es, der das alles geleistet hat.

STANDARD: Sie sind seit fast 30 Jahren Banker. Haben Sie je mehr versprochen, als Sie liefern konnten?

Strobl: Ich bin einer, der eher weniger verspricht und mehr liefert. Aber manchmal glaube ich, dass die Dinge schneller gehen – besonders bei IT-Projekten.

Strobl sagt zwar, dass er üblicherweise mehr liefert als verspricht – Überheblichkeit gehört aber trotzdem nicht zu seinen Eigenschaften. Das konzediert ihm auch die Konkurrenz.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Etwa beim Raiffeisen-IT-Projekt Gem, das dann 20 Millionen statt sieben Millionen Euro gekostet hat?

Strobl: Ja, wobei das Projekt im Lauf der Planung immer größer wurde. Das ist, wie wenn Sie ein Haus planen, das dann im Lauf des Baus immer größer wird.

STANDARD: Gem wurde zum Schloss?

Strobl: Schloss wurde es leider keines, aber mehr als geplant – wobei die Erweiterung durchaus sinnvoll ist. Gem ermöglicht uns heute die tägliche Überwachung und das Management von Limiten in allen unseren 15 Märkten, die verschiedene IT-Systeme verwenden und ihre Daten bei uns zentral einliefern.

STANDARD: Noch zu Ihren Auftritten: Auf Roadshows, in denen Sie Investoren an Land ziehen wollen, fühlen Sie sich wohl?

Strobl: Auf Roadshows geht es nicht um Schein und Eitelkeit, sondern um die Klarheit der Kommunikation. Da gebe ich Informationen und Einblick in die Bank – ob der Zuhörer dann Aktien kauft, ist ganz etwas anderes. Mir ist wichtig, dass das Fundament der Bank verstanden wird, damit, so Sonderereignisse eintreten, diese eingeordnet werden können.

STANDARD: Sie kommen aus einer Mattersburger Bauernfamilie, haben an der WU studiert. Weil Sie Banker werden wollten?

Strobl: Nein, ich bin kein großer Planer, das hat sich so ergeben. Ich wollte studieren, weil ich ein paar Dinge besser verstehen wollte, Berufswunsch stand nicht dahinter.

STANDARD: Als Assistent am Institut für Kreditwirtschaft haben Sie die Studenten mit dem Berechnen von Optionen gequält, heißt es.

Strobl: Aber nein. Das, was ich mit ihnen gemacht habe, war wirklich einfachst: Devisenterminkurse ausrechnen etwa, kein Vergleich zu dem, was heute an der WU verlangt wird. Also, mit mir war’s immer einfach.

STANDARD: Ihre Beobachter sagen, Sie hätten nie einen Job angestrebt, aber RBI-Chef, das wollten Sie wirklich werden. Warum?

Strobl: Weil die RBI ein wirklich tolles Unternehmen ist. Sie lachen, aber ich meine das ganz ernst. Ich weiß nicht, wie viele vergleichbare Jobs es in Österreich gibt. Ein, zwei vielleicht im Bankwesen, aber sonst? Für mich ist der Job ein Privileg und jeden Tag ein Genuss und ein persönlicher Gewinn.

Herbert Stepic, Vorvorgänger von RBI-Chef Strobl, trat 2013 zurück. Zuvor hatte er Raiffeisen in Osteuropa groß gemacht.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Eigentlich wollten Sie schon 2013 RBI-Chef werden, nachdem Ihr Vorvorgänger, Herbert Stepic, abgetreten war. Damals wurde Ihnen aber Karl Sevelda vorgezogen, ihn haben Sie heuer im März beerbt ...

Strobl: Ja, damals sagte man, Karl Sevelda kann es besser. Also sollte er es machen, klar.

STANDARD: Als Sie Chef hier wurden, haben Sie versprochen zu analysieren, warum es Frauen nicht in den RBI-Vorstand schaffen. Wissen Sie’s schon?

Strobl: Nicht wirklich. Es gibt wichtige Unternehmensbereiche bei uns, in denen wenig Frauen arbeiten, in der IT etwa oder im Risiko. Die bewerben sich auch für Führungspositionen – und bei Jobinterviews sind mehr als die Hälfte der Jurorinnen Frauen. Daran kann es also nicht liegen. Wir sind jetzt dabei, einen schriftlichen, anonymen Teil in den Bewerbungsprozess einzubauen, damit allfällige unbewusste Vorurteile von Entscheidungsträgern ausgeschaltet werden. Das sind kleine Schritte.

STANDARD: Sind Sie für eine Frauenquote?

Strobl: Nein, aber ich würde sie akzeptieren, wenn der österreichische Gesetzgeber sie beschließt. Mir persönlich wäre es aber lieber, die richtigen Schritte zu finden, um Frauen an die Spitze zu holen. Wenn Frauen bei uns Führungsjobs zum Beispiel lieber in Teilzeit erledigen möchten, werden wir das auch unterstützen.

STANDARD: Vielleicht eine platte Frage: Ihre drei Kinder haben nach Ihrer Scheidung bei Ihnen gelebt. Verstehen Sie die Anliegen berufstätiger Mütter daher besser als andere? Wobei Sie mit Ihrem Einkommen ja höchst privilegiert sind.

Strobl: Eben, ein Vergleich wäre respektlos von mir. Doch ich kann einen Teil der Alltagsprobleme von Frauen gut nachvollziehen. Ich finde ja, dass wir gerade dabei sind, die Unterschiede zwischen Frau und Mann zu verwischen, die Gesellschaft sollte sich aber eher fragen, ob wir sie nicht klarer machen sollten. Mann und Frau sind halt unterschiedlich, macht ja nichts, wir können trotzdem die gleichen Jobs machen.

STANDARD: Außer im RBI-Vorstand. Sie waren lang Risikochef, in der Bank Austria und dann hier. Wie korrelieren Eitelkeit und Risiko?

Strobl: Na, das schließt sich total aus. Niemand darf aus Geltungsbewusstsein mehr Risiko eingehen als es ein verantwortungsvoller, risikobewusster Mensch täte.

STANDARD: Da muss Sie die Zeit vor der Krise – Banker, die wie wild expandierten und Geschäfte machten, die sie selbst nicht verstanden – geschmerzt haben. Das hatte doch sehr mit Eitelkeiten zu tun. Die RBI hat damals an jedem Wochentag eine Filiale eröffnet.

Strobl: Für Österreich sehe ich das nicht so, die Expansion nach Osteuropa war eine Chance. Dort brach ein System zusammen, in dem den Leuten leere Versprechungen gemacht wurden, dieser Zusammenbruch führte zu einem weiteren erheblichen Wohlstandsverlust. Da haben wir die Chance genützt, Banken aufzubauen und zum Aufbau einer freien Wirtschaftsform beigetragen. Ob da ein Wettlauf der Entscheidungsträger, wer schneller ist, wer es besser macht, dabei war? Ich weiß nicht, aber wenn, dann war es irrelevant. Entscheidend war, dass die Kunden Bedarf an Bankdienstleistungen hatten, die Banken haben den befriedigt.

STANDARD: Ihr Vorgänger Karl Sevelda hat nach der Fusion RZB-RBI für weitere Fusionen plädiert. Sie sehen das anders?

Strobl: Ja, Fusionen müssen sich die Landesbanken ausmachen. Die Stärke von Raiffeisen ist die Regionalität, die müssen wir bewahren und das ist schwierig, wenn man zu größeren Einheiten fusioniert. Die RBI selbst hat Asien, Amerika und Slowenien aufgegeben, wir konzentrieren uns jetzt auf unseren Markt und auf Innovationen.

STANDARD: Die RBI hat 2012, mit Staatsgeld in den Büchern und gegen den Wunsch der Aufsicht, die polnische Polbank gekauft. Inzwischen wollen Sie die Bank mit ihren 2,7 Milliarden Euro schweren Franken-Krediten wieder loswerden, aber der Verkauf ist gescheitert. Sie müssen nun bis 2018 bis zu 25 Prozent der Bank an die Börse bringen. Werden Sie das schaffen? Die Polbank musste 50 Millionen Euro einsparen, Filialen wurden geschlossen.

Strobl: Die 50 Millionen haben wir noch nicht ganz erreicht. Wir werden alles tun, damit wir den Börsengang schaffen. Wir wollen das Problem erledigen.

Cuba Candy gewann das Galopper-Derby 2006, mit seinem Jockey Jean-Pierre Lopez. 2008 musste das Rennpferd eingeschläfert werden.
Foto: APA/Schlager

STANDARD: Sie haben Pferde gezüchtet und hatten zwei Galopper-Rennställe; den Stall Allegro mit Banker Willibald Cernko. Ihre Pferde Fensh und Cuba Candy gewannen 2003 bzw. 2006 das Derby, Cuba Candy wurde aber 2008 eingeschläfert, hatte sich beim Rennen in Italien verletzt. Dieses Risiko konnten Sie nicht berechnen?

Strobl: Er ist gestürzt. So etwas passiert nicht oft, aber es passiert. Und: Man kann das Unfallrisiko von Rennpferden berechnen, es gibt auch Aufstellungen dazu.

STANDARD: Ihr Jockey, der Franzose Jean-Pierre Lopez, musste zwischendurch als Nachtportier im Hotel arbeiten ...

Strobl: Ja, Jockeys haben einen wirklich schwierigen Job, in Österreich kann man davon nicht leben.

STANDARD: Und essen dürfen Jockeys auch fast nichts, weil sie so leicht sein müssen. Wie Models ...

Strobl: Das ist brutal und ärger als bei Models. Besonders schlimm ist das bei großen Jockeys, die müssen noch dünner sein.

STANDARD: Warum haben Sie aufgehört mit den Rennpferden? Sie besaßen damals den erfolgreichsten Rennstall Österreichs, allein der Derbysieg brachte 150.000 Euro.

Strobl: Das war die Gesamtdotation, der Sieger bekam die Hälfte. Es gab Phasen, da hat jedes unserer Pferde gewonnen, unglaublich. Aber letztlich habe ich immer eingezahlt.

STANDARD: Was müssen Rennpferde können, außer Schnellsein?

Strobl: Mutig sein. Wir hatten einmal ein ängstliches Pferd. Wenn das an die Spitze durchkam, wurde es immer schneller und schneller und hat mit Riesenabstand gewonnen.

STANDARD: Das lief den anderen aus Angst davon?

Strobl: Ja. Und als die Gegner das kapierten, haben sie mir ihrem Pferd unseres bedrängt, und dann war’s vorbei. Siegreiche Pferde haben keine Angst, sie haben großes Selbstvertrauen.

Karl Sevelda (re.), der vormalige RBI-Chef, war Mitbegründer des Liberalen Forums und unterstützt nun die von Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner (li.) mitfinanzierten Neos.
Foto: APA/Neubauer

STANDARD: Noch kurz zu Politik und Musik. Sevelda hat sich politisch immer deklariert, er unterstützt jetzt die Neos ...

Strobl: Ich bin nicht politisch aktiv.

STANDARD: Manche nennen Sie ökosozial ...

Strobl: ... was immer das ist.

STANDARD: "Öko" vielleicht, weil Sie als Einziger im Vorstand ein E-Auto fahren und manchmal zu Fuß in den neunten Stock raufgehen?

Strobl: Vielleicht. Aber ich geh viel zu selten zu Fuß ins Büro herauf, ich gerate so leicht außer Atem.

STANDARD: Sie sind ein Sebastian-Kurz-Fan. Stimmt’s?

Strobl: Ich beobachte die sehr interessante Entwicklung. Kurz hat als Außenminister auch Engagement für unsere Wirtschaft gezeigt.

STANDARD: Sie waren unlängst bei den Haydn-Festspielen, da wurde Mozarts "Jeunehomme" ("Junger Mann"; 9. Klavierkonzert Es-dur; Anm.) gespielt. Sie lieben Musik?

Strobl: Ich verstehe null von Musik und bin total unmusikalisch. Ob die richtig oder falsch spielen, weiß ich nicht. Ob wer schnell oder langsam dirigiert, spür ich nicht. Aber wenn ich in Konzert oder Oper sitze, bin ich total ergriffen und erfüllt von der enormen Wirkung der Musik. Diesen Augenblick, in dem man wirklich etwas Großes erlebt, erfühlt jeder Mensch, da muss man nicht wirklich etwas von Musik verstehen.

STANDARD: Aber Sie weinen nicht, wie Pretty Woman in der Oper.

Strobl: Ich kann schon hin und wieder weinen. Manche Musik ergreift mich so sehr, dass ich Wasser in den Augen hab.

STANDARD: Passt zur letzten Frage. Worum geht’s im Leben?

Strobl: Darum, dass man, zumindest vorübergehend, in seinem Leben das machen kann, was man gern macht. Und dabei nicht vergisst, dass man für alle drumherum auch Verantwortung trägt. (Renate Graber, 17.9.2017)