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Foto: AP/Ibrahim

Bangkok – Hunderttausende Menschen fliehen aus Myanmar, im Bundesstaat Rakhine werden Häuser muslimischer Rohingya abgebrannt und hunderte Menschen getötet – und Aung San Suu Kyi feilt an ihrer bislang wichtigsten Fernsehansprache seit ihrem Amtsantritt, die sie am Dienstag halten will. Dabei steht die De-facto-Regierungschefin von Myanmar und Friedensnobelpreisträgerin vor einem Drahtseilakt.

Wegen ihres Schweigens zur Lage der Rohingya hat das Image der einstigen Freiheitsikone international stark gelitten. Ob bei den Vereinten Nationen oder unter anderen Friedensnobelpreisträgern – die Enttäuschung über Suu Kyi wächst. "Durch ihre Weigerung, sich gegen die Gewalt auszusprechen, verliert sie enorm an moralischer und politischer Glaubwürdigkeit", sagt der für Südostasien zuständige Amnesty-International-Beauftragte James Gomez.

Aberkennung gefordert

Hunderttausende Menschen unterzeichneten bereits eine Online-Petition mit der Forderung, Suu Kyi den Friedensnobelpreis wieder abzuerkennen – eine Möglichkeit, die es laut dem Nobel-Institut nicht gibt.

Geboren im Juni 1945, war Suu Kyis Weg in die Politik zunächst alles andere als vorgezeichnet. Die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitskämpfers General Aung San wurde in den besten Schulen Ranguns unterrichtet, bevor sie 1969 zum Studium an der Universität Oxford nach Großbritannien zog. 1972 heiratete sie den britischen Akademiker Michael Aris und bekam zwei Kinder mit ihm.

Wegweisend wurde für Suu Kyi das Jahr 1988: Während sie ihre kranke Mutter in ihrer Heimat pflegte, erlebte sie, wie das Militär eine Demokratiebewegung blutig niederschlagen ließ. Sie blieb und gründete mit anderen Oppositionellen die NLD. Die Junta reagierte prompt: Im Juli 1989 wurde Suu Kyi erstmals unter Hausarrest gestellt – wenige Monate vor dem haushohen Sieg ihrer NLD bei der Parlamentswahl 1990. Die Militärregierung erkannte das Ergebnis nie an.

Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises 1991 und internationale Proteste änderten nichts an den Repressionen. Suu Kyis Ehemann durfte selbst im Endstadium seines Krebsleidens nicht nach Myanmar reisen. Sie selbst blieb aus Furcht, ausgebürgert zu werden, im Land. Aris starb 1999, ohne seine Frau wiederzusehen.

Leichte Öffnung

Seit Suu Kyis Freilassung am 13. November 2010 nach rund 20 Jahren Haft und Hausarrest änderte sich viel in Myanmar: Die Macht wurde an eine formal zivile Regierung übertragen, die Zensur gelockert, politische Gefangene freigelassen und die NLD wieder zu Wahlen zugelassen. Seit einer Nachwahl 2012 sitzt "die Lady", wie Suu Kyi im eigenen Land genannt wird, im Parlament.

Die Verfassung verbietet ihr, das Präsidentenamt zu übernehmen, da ihr Ehemann Brite war. Aber seit 2015 leitet sie de facto die Regierungsgeschäfte – und steckt ihre Energie in den schwierigen Spagat zwischen ihrer Regierung und den Generälen, die bis heute an vielen Hebeln der Macht sitzen.

Und die breite Mehrheit ihrer Landsleute teilt die Ansicht der Militärs, dass die muslimischen Rohingya – abfällig als "Bengalen" bezeichnet – Eindringlinge aus dem benachbarten Bangladesch sind und den Buddhisten Land und Ressourcen wegnehmen.

Erwartungen dämpfen

Daher könnte Suu Kyi – sollte sie sich dem internationalen Druck zu stark beugen – im eigenen Land an Zustimmung verlieren. Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar, Yanghee Lee, warnte kürzlich vor zu großen Erwartungen. Viele Menschen sähen in Suu Kyi "eine wichtige moralische Stimme", doch eigentlich sei sie "eine Politikerin durch und durch", für die das wichtigste Ziel die Wiederwahl sei.

Ihre Teilnahme an der Generaldebatte der Vereinten Nationen diese Woche sagte Suu Kyi ab und kündigte stattdessen die Fernsehansprache vor ihren Landsleuten an. Suu Kyi selbst sagte in einem ihrer wenigen Interviews, sie sei nur "eine Politikerin". "Ich bin nicht ganz so wie Margaret Thatcher, nein, aber andererseits bin ich auch nicht Mutter Teresa. Ich habe nie gesagt, dass ich das bin." (APA/AFP, 18.9.2017)