"Holen Sie sich, was Ihnen zusteht." Der SPÖ-Chef zwischen dem Slogan der Partei.

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Die FPÖ bedient das Gut-Böse-Schema am Plakat.

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Beliebiger Spruch am ÖVP-Plakat: "Zeit für Neues".

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Niedrige Triebmotive und unbewusste Wünsche wie "sich zu holen was einem zusteht" scheinen schon seit je her die Politik zu einem nicht unwesentlichen Teil zu beeinflussen. In der Geschichte hat das Unterbewusstsein in seiner mentalen Wirkung die Wahrnehmung der Wirklichkeit oft mehr bestimmt, als das rationale Bewusstsein. Wenn das sogenannte "Es" aus dem Freud‘schen Strukturmodell der Psyche die Überhand gewinnt, kommt es im normalen Leben wie auch in der Politik zu interessanten Auswüchsen. Motive wie Angst, Unzufriedenheit und Hoffnung sowie eigene Befindlichkeiten der Parteien finden bewusst und unbewusst ihre Manifestation in den Wahlplakaten. Der Einfluss des Unbewussten und die damit verbundenen tiefenpsychologischen Instanzen "Ich", "Es" und "Über Ich" sind dabei nicht zu unterschätzen.

Im weitesten Sinne könnte man die Plakate auch mit einem Rorschach-Test vergleichen, bei dem die potenziellen Wähler ihre Wünsche, Bedürfnisse und auch Ängste hineinprojizieren, um sich dann je nach Wählertypus für eine dem eigenen Naturell und der eigenen Persönlichkeitsstruktur entsprechenden Partei zu entscheiden. Durch Plakate und deren Botschaften stimulieren Parteien gewollt oder oft ungewollt das individuelle und kollektive Unterbewusstsein. Welche bewussten oder auch verdrängten Motive, Wünsche und Ängste stecken nun hinter den mehr oder weniger aufwendig affichierten Wahlbotschaften der politischen Bewegungen?

SPÖ und die Angst vor dem Machtverlust

Die sozialdemokratische Partei Österreichs versuchte es bei der aktuellen Nationalratswahl mit einem wenig solidarisch scheinenden Slogan der ein hohes Polarisierungspotenzial beinhaltet. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob der Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" nicht den unbewussten Wunsch mancher Funktionäre widerspiegelt, sich selbst holen zu wollen was ihnen weiterhin zustehen soll und drückt damit einen latenten Wunsch aus, weiterhin an der Macht bleiben zu wollen. Auch die neue Plakatserie mit "Soziale Sicherheit" und "Wirtschaftlichen Erfolg" könnte man in Kenntnis der aktuellen prekären Situation der Bewegung mit den eigenen Bedürfnissen dieser in Verbindung bringen.

Straches Familienaufstellung

Die FPÖ versuchte sich in der ersten Plakatreihe mit einem Schuss Humor im Gegensatz zu sonst sehr zugespitzten Botschaften wie beispielsweise "Daham statt Islam". Humor ist eine Methodik, um an sich negative Themen geschickt zu verarbeiten und einen positiven Spin für einen selbst zu generieren. Die zweite Runde an Plakaten, bei der ein idealisierter Spitzenkandidat, dem seine Gegner in Form einer Familienaufstellung aus dem Rücken zu wachsen scheinen, stellt bewusst einen Kontrast aus Gut und Böse dar. Es bleibt nur offen, ob in diesem Fall nicht auch eigene Fehler und dunkle Flecken aus der politischen Vergangenheit unbewusst angetriggert werden.

Kurz und die österreichische Seele

Die Werbetechnik der ÖVP stellt den Versuch dar, mit dem Konterfei des jungen und dynamischen Spitzenkandidaten gepaart mit einem Slogan der viele Projektionen offen lässt, die österreichische Seele subliminal in Resonanz zu versetzen.

Die Strahlkraft des unverbrauchten Sebastian Kurz in Kombination mit "Zeit für Neues" ist zwar von der Perspektive der Werbung sauber ausgeführt, der Spruch ist aber auch beliebig für eine Automobilwerbung einsetzbar. Nach dem 15. Oktober wird sich weisen, wer von den drei Spitzenkandidaten eventuell Zeit für was Neues haben wird. Die Macht des Unterbewusstseins ist nicht zu unterschätzen, denn das Gesagte oder Plakatierte ist nur die Spitze des mentalen Eisberges. Die wahren Motive kommen, wie beim topografischen Modell Freuds, früher oder später an die Oberfläche. Ein guter Monat bis zur Wahl ist eine lange Zeit, wo noch vieles ungewollt passieren kann. Denn wie sagte Sigmund Freud so treffend: "Das Unterbewusstsein ist die Automatik der Seele". (Daniel Witzeling, 18.9.2017)