Kanzler Christian Kern möchte mit seinem Vorstoß zeigen, "wer tatsächlich wofür steht".

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ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der derzeit in New York ist, will sich die roten Vorschläge erst einmal ansehen.

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Die SPÖ nimmt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die plakatierte Fairness nicht ab. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl (re.) will einem "Parlaments-Husch-Pfusch" jedenfalls nicht zustimmen, wie er sagt.

Wien – Der in den Umfragen deutlich hinter ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz liegende SPÖ-Chef Christian Kern hat am Montag einen neuen Versuch gestartet, ÖVP und FPÖ unter Druck zu setzen: Bei der Nationalratssitzung am Mittwoch werden die Sozialdemokraten Anträge zu den Themen Mietrechtspaket und Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten einbringen.

Nachdem im Wahlkampf alle über "Fairness und Gerechtigkeit" reden würden, wolle man zeigen, "wer tatsächlich wofür steht", begründete Kern die nicht mit dem Noch-Koalitionspartner abgesprochene Vorgangsweise.

High Noon am 12. Oktober

Entsprechende Gesetzesbeschlüsse werden in dieser Woche allerdings keinesfalls gefasst. Das hat Geschäftsordnungsgründe. Finden jedoch sogenannte Fristsetzungsanträge eine Mehrheit, könnten die Beschlüsse bei der darauffolgenden Sitzung am 12. Oktober, also nur drei Tage vor der Wahl, abgesegnet werden. Die SPÖ ist freilich nicht die einzige Partei mit Wünschen. Der STANDARD gibt einen Überblick über die Materien und die Positionen der Parteien:

  • Mietrecht Der SPÖ-Entwurf, der im Grunde seit Jahren vorliegt, sieht ein bundesweit einheitliches Richtwertsystem vor. Die Basismiete soll 5,50 Euro pro Quadratmeter betragen, wobei diverse Zu- und Abschläge vorgesehen wären. Bei freifinanzierten Wohnungen soll 20 Jahre lang eine freie Mietbildung möglich sein. Zudem will man die Maklergebühren für die Mieter abschaffen sowie die Grundsteuer und Versicherungskosten aus dem gesetzlichen Betriebskostenkatalog streichen.

    Hämisch kommentiert wurde von Kern der Vorschlag von Kurz, den Erwerb von Eigentumswohnungen stärker zu fördern. Da fühle er sich an das Zitat "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen" erinnert, das der Habsburgerin und späteren Königin von Frankreich Marie Antoinette zugeschrieben wird. "Das ist keine Antwort auf die hohen Mieten", ist der Kanzler überzeugt.

Lange verhandelt

Die Zustimmung der ÖVP zum roten Mietpaket ist äußerst unwahrscheinlich, wurde doch seit Jahren erfolglos mit Bautensprecher Johann Singer und Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) verhandelt. Im Büro von Parteichef Kurz hieß es am Montag nur, man schaue sich alle Vorschläge in Ruhe an. Der ÖVP-Obmann selbst wird am Mittwoch nicht anwesend sein, er weilt in New York bei der Uno-Generalversammlung.

Auf die FPÖ können die Sozialdemokraten ebenfalls nicht zählen – obgleich die Freiheitlichen einige der Forderungen grundsätzlich gar nicht ablehnen, sagt Herbert Kickl im Gespräch mit dem STANDARD: "Aber für diesen roten Parlaments-Husch-Pfusch stehen wir nicht zur Verfügung." Der FPÖ-Generalsekretär hält das Mietrecht für eine "komplexe Materie", deshalb gehöre der Vorschlag zuerst in einem Ausschuss behandelt, dann in Begutachtung geschickt und schließlich einem "Experten-Hearing" unterzogen. "Das neue Parlament könnte nach der Wahl auf die gesammelte Expertise zurückgreifen."

Blauer Einzelvorstoß

Einen Vorstoß zum Thema Mietrecht wollen die Blauen am Mittwoch dennoch einbringen: nämlich die "Eliminierung" der Mietvertragsvergebührung, eine "sinnvolle Sofortentlastung", wie Kickl sagt.

  • Arbeitnehmer Ebenfalls einbringen will die SPÖ am Mittwoch einen Antrag auf Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Derzeit gibt es unter anderem noch Unterschiede bei Kündigungsfristen und -terminen sowie bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die SPÖ ist seit langem für eine Angleichung, zuletzt schrieb auch Kurz diese Forderung in sein Wahlprogramm. Aber auch hier galt bei den neuerdings Türkisen vorerst: Noch könne man nicht sagen, ob man sich mit der SPÖ einigen werde.

    Auch die Opposition ist der Thematik nicht abgeneigt: "Schauen wir mal, wie die SPÖ das formuliert, aber wir sind gesprächsbereit", sagt Kickl. Auch hier stehe die FPÖ aber für keine "Hüftschüsse vor der Wahl" zur Verfügung. "Das gehört seriös auf den Weg gebracht."

  • Pensionen Bei diesem Punkt waren sich SPÖ und ÖVP schon einig, dass die Pensionen 2018 gestaffelt angepasst werden sollen. Für sehr hohe Pensionen soll es keine Erhöhung geben, bis zu einer Pension von 1.500 Euro soll die Anpassung 2,2 Prozent betragen. Zuletzt drängte die SPÖ aber noch auf weitere Einschnitte für hohe Sonderpensionen im staatsnahen Bereich. Auf ÖVP-Seite wurde kolportiert, dass man nur zustimme, wenn es auch Einschnitte bei Sozialleistungen für Zuwanderer gebe.

  • Kalte Progression Ein weiteres Dauerthema ist die Anpassung der Steuertarife an die Inflation. Damit soll der Effekt der kalten Progression kompensiert werden. Die Neos erhoffen sich bei diesem Punkt eine Einigung. Mit der SPÖ scheint diese aber unwahrscheinlich, weil die Roten auch eine Kompensation für jene fordern, die keine Steuern zahlen – es geht um die sogenannte Negativsteuer. Ein türkis-pink-blauer Beschluss scheint ebenfalls nicht realistisch. Für die ÖVP gelte nach wie vor: Man werde vor der Wahl keine Beschlüsse gegen die SPÖ fassen, heißt es im Kurz-Umfeld.

  • Tierschutz Vielleicht wird aber immerhin das Tierschutzgesetz noch repariert. Die Grünen wollen einen entsprechenden Antrag einbringen. Auch SPÖ und ÖVP hatten in der Vergangenheit bereits erklärt, dass sie Tierschutzvereinen es wieder ermöglichen wollen, für ihre Tiere im Internet nach neuen Besitzern zu suchen.

Besorgt ist jedenfalls schon jetzt der Finanzminister: Hans Jörg Schelling (ÖVP) will deshalb teure Beschlüsse vor einer Nationalratswahl, wie sie etwa 2008 passiert sind, verhindern. Konkret schlägt er vor, dass es für jeden Beschluss eine Gegenfinanzierung geben müsse. (go, mika, 18.9.2017)