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Eine der vielen illegalen Goldminen im brasilianischen Amazonasgebiet. Der Regierung von Präsident Michel Temer wird vorgeworfen, die Agrarlobby auf Kosten der indigenen Stämme zu schützen.

Foto: REUTERS/Nacho Doce

Es gibt keine Fotos, keine Satellitenaufnahmen, keine Zeugen, nur den begründeten Verdacht, dass im Regenwald Brasiliens ein Massaker an einem indigenen Volk verübt wurde. Das Tal des Javari hat in etwa die Fläche Österreichs und ist damit eines der größten Indianerschutzgebiete Brasiliens. Dort leben mehrere Stämme, einige von ihnen gelten als unkontaktiert, leben also völlig isoliert.

Ende August saßen in der Amazonas-Gemeinde São Paulo de Olivença Goldgräber an einer Bar und prahlten mit einem "Abenteuer". Sie hätten mindestens zehn Ureinwohner ermordet und die Leichen danach in den Fluss geworfen. Wie zum Beweis schwangen sie dazu ein handgefertigtes Paddel und Pfeile der Indianer. Brasiliens Indianerbehörde Funai hörte von dieser Geschichte und begab sich nach São Paulo de Olivença. Dort wurde ihnen das Gesagte bestätigt. Die Goldgräber hätten später erzählt, sie seien von den Indigenen angegriffen worden, sagt Silvia Burger Sotto-Maior von Funai. Unter den Ermordeten waren aber auch Kinder und Frauen.

Funai machte eine Anzeige bei der Polizei, Beweise für das Massaker gibt es aber nicht. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen, gibt sich aber zurückhaltend. Ein Verfahren sei eingeleitet worden. Details könnten derzeit aber noch nicht genannt werden, heißt es in einer Erklärung. Zwei Goldgräber wurden inzwischen bei einer gemeinsamen Razzia von Funai, Polizei und Armee festgenommen, aber nur wegen illegalen Waffenbesitzes.

Kontrollposten abgezogen

"Es ist schwer, diesen Fall zu untersuchen, vor allem weil wir nicht die Mittel dazu haben", sagt Sotto-Maior. Unter der rechtsliberalen Regierung von Michel Temer wurde der Behörde das Budget um 44 Prozent gekürzt. Kontrollposten, die vorher an der Grenze zum Indianerschutzgebiet standen, wurden abgezogen. Für viele illegale Goldschürfer und Holzfäller kam dies einer Einladung gleich, immer weiter in die Schutzgebiete vorzudringen.

Durch die Haushaltskürzungen seien die Ureinwohner Tausenden von illegalen Goldschürfern, Holzfällern und Viehzüchtern schutzlos ausgeliefert, sagt Stephen Corry, Direktor der Organisation Survival International. "Wenn die Berichte sich bestätigen, wird die Regierung eine schwere Verantwortung für diesen völkermörderischen Angriff tragen." Die Organisation befürchtet, dass bis zu 20 Ureinwohner getötet worden seien. Bestätigt sich diese Zahl, handelt es sich um das größte Massaker an Indigenen, das es im Amazonas in der jüngsten Geschichte gegeben hat.

Abholzung des Amazonas nimmt zu

Doch auch in Brasilien macht sich Empörung breit. Die Regierung Temer schützt offen wie nie zuvor die Interessen der mächtigen Agrarlobby. Zu den Opfern zählen die Ureinwohner, aber auch die Abholzung des Amazonas nimmt wieder zu. Bei gewaltsamen Übergriffen von Großgrundbesitzern, illegalen Holzfällern und Goldschürfern sind laut Indigenen-Missionsrat CIMI mehr als 600 Ureinwohner in den vergangenen zehn Jahren umgekommen. Cleber Buzatto, CIMI-Generalsekretär, macht die Regierung für den fehlenden Schutz der Ureinwohner verantwortlich. Wenn nicht gegengesteuert werde, würden die Angriffe auf die Indigenen weiter zunehmen, befürchtet er.

Im Juli legte Temer seine Pläne vor, das Schutzgebiet im Jamanxim-Nationalpark im Amazonas um ein Viertel zu verkleinern. Kurze Zeit später hatte das Parlament über die Aufhebung der Immunität des Präsidenten wegen seiner Verwicklung in die Korruptionsaffäre Lava Jato zu entscheiden. Der 76-Jährige überlebte nur aufgrund der Stimmen der Agrarlobby, deren Gunst er sich erkauft habe, so seine Kritiker. Temer will weitere Schutzgebiete aufheben und den Rohstoffabbau erlauben. Nach einem Proteststurm stoppte ein Gericht das Dekret und überwies den Fall an das Parlament. Doch im Kongress sind die Mehrheitsverhältnisse klar. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 19.9.2017)