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Teile von HTC wandern zu Google.

Foto: TYRONE SIU / REUTERS

Was im Vorfeld bereits durchgesickert war, ist nun offiziell: Google übernimmt den Smartphone-Hersteller HTC – oder zumindest Teile davon. Für 1,1 Milliarden US-Dollar (930 Millionen Euro) sollen rund 2.000 Smartphone-Entwickler sowie nichtexklusive Rechte auf die Patente von HTC zu dem Android-Hersteller wandern. Stimmen die Regulatoren dem Deal zu, soll er bereits Anfang 2018 offiziell abgeschlossen werden.

Motivation

"Mit diesem Schritt verstärken wir unsere Bestrebungen als Smartphone-Hersteller und auch allgemein die Investitionen in unser aufstrebendes Hardwaregeschäft", umschreibt Google die eigene Motivation für den Deal. Mit vielen der nun zu Google wandernden Entwickler habe man schon rund um aktuelle Pixel-Smartphones kooperiert, durch die Übernahme bekommt Google also vor allem zusätzliches Know-how in diesem Bereich.

Hintergrund

HTC hatte in den letzten Jahren mit immer stärker sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen. War man in den Frühjahren von Android einer der wichtigsten Partner von Google – HTC hat etwa mit dem Dream / T-Mobile G1 sogar das erste Android-Smartphone aller Zeiten hergestellt –, wurde der taiwanesische Hersteller in den letzten Jahren vor allem von Samsung, aber auch chinesischen Konkurrenten zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Die aktuellen Geräte fanden nur mehr wenig Anklag bei den Käufern.

HTC bleibt erhalten

Der jetzige Deal bedeutet allerdings auch, dass die Marke HTC erhalten bleibt. Das verbliebene Unternehmen kann also weiterhin Smartphones unter diesem Namen herstellen, man arbeite auch bereits am Nachfolger des aktuellen Flaggschiffs HTC U11, heißt es. Laut HTC-Chef Peter Chou hat man auch nach dem Deal mit Google noch die Ressourcen dafür, soll doch die Hälfte der bisher bei HTC in der Smartphone-Entwicklung beschäftigten Angestellten weiterhin im Unternehmen verbleiben. Auf die Entwicklung der Virtual-Reality-Brille HTC Vive soll die Vereinbarung ohnehin keinerlei Auswirkung haben. Mit der aktuellen Abmachung bekommt HTC jedenfalls eine dringend benötigte Finanzspritze, um all die eigenen Entwicklungen weiterführen zu können.

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Googles Hardwarechef Rick Osterloh und HTC CEO Cher Wang haben den Deal finalisiert.
Foto: TYRONE SIU / REUTERS

Überraschend an dem Deal ist aber auch, was er nicht beinhaltet. So ist etwa keinerlei Rede von einer Übernahme der HTC-Fertigung, die ursprünglich von vielen als Googles primäres Interesse angesehen wurde. Zudem verbleibt so ein großer Teil der bisherigen Angestellten bei HTC, laut aktuellen Zahlen beschäftigt das Unternehmen derzeit rund 10.000 Personen, Google schnappt sich also bloß ein Fünftel davon.

Pixel

Unter der Marke Nexus bietet Google zwar schon seit Jahren eigene Smartphones an, seit dem Vorjahr haben sich die diesbezüglichen Bestrebungen des Unternehmens aber deutlich intensiviert. War die Nexus-Reihe vor allem für die Entwicklung neuer Android-Versionen und als Gerät für Entwickler gedacht, zielt man mit den Pixel-Geräten auf den Massenmarkt ab. So spricht das Unternehmen jetzt von einem weiteren Baustein zum Ausbau des Hardwaregeschäfts, der die nächsten zehn bis 20 Jahre prägen werde. Man investiere hier also mit einer langfristigen Perspektive. Eine solche scheint auch nötig, hatte Google bei der ersten Pixel-Generation doch noch merkliche Probleme die Verfügbarkeit des Geräts aufrecht zu erhalten, was das Verkaufspotenzial deutlich minderte. Entsprechend sind die aktuellen Google-Smartphones denn auch bis dato nur in wenigen ausgewählten Ländern offiziell erhältlich.

Am 4. Oktober will Google nun die zweite Generation seiner Pixel-Smartphones vorstellen, wobei eines davon wieder in Kooperation mit HTC entstanden ist, während das zweite von LG beigesteuert wird.

Eigene Prozessoren?

Auch jenseits des HTC-Deals scheint Google derzeit bestrebt, sein Hardware-Know-how auszubauen. So wurde bereits vor einigen Monaten kolportiert, dass Google aktiv nach Chipentwicklern sucht und dabei einen der führenden Experten in diesem Bereich von Apple abgeworben hat.

Neue Strategie

Hinter alldem steht auch eine gewandelte Google-Strategie: Hatte man jahrelang die gesamte Firma rund um das eigene Werbegeschäft aufgebaut, versucht man seit dem Umbau unter dem Dach von Alphabet neue Einnahmequellen zu finden. Neben dem Business mit selbstfahrenden Autos gehört dabei auch die Hardwaresparte zu jenen Hoffnungsträgern, mit denen man die Abhängigkeit von den Werbeeinnahmen reduzieren will.

Vorgeschichte

Es ist übrigens nicht Googles erster großer Deal mit einem Smartphone-Hersteller. Bereits 2011 hatte man die Übernahme von Motorola Mobility um 12,5 Milliarden US-Dollar verkündet. Allerdings war damals die Interessenlage eine andere: Google betonte von Anfang an, dass es um den Patentpool von Motorola Mobility ging, mit dem man Android vor Klagen schützen wollte. Kurz zuvor hatten zahlreiche Google-Konkurrenten den Patentnachlass des kanadischen Netzwerkspezialisten Nortel übernommen.

Motorola wurde denn auch 2014 an den jetzigen Besitzer Lenovo weiterverkauft, während die Patente bei Google verblieben. Der damalige Motorola-Chef Rick Osterloh ist mittlerweile übrigens Leiter der Google-Hardwareabteilung. (Andreas Proschofsky, 21.9.2017)