Madrid/Barcelona – Im Konflikt mit Madrid um das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien ist keine Entspannung in Sicht: Tausende Demonstranten gingen am Donnerstag in Barcelona erneut auf die Straße, um das Recht der Katalanen auf die Abstimmung einzufordern und die Festnahmen hochrangiger Regierungsvertreter durch spanische Polizisten anzuprangern.

Sie versammelten sich vor dem Obersten Gericht und kündigten eine "dauerhafte Mobilisierung" an. Die Regionalregierung räumte inzwischen ein, dass die Organisation der Abstimmung durch das harte Vorgehen Madrids beeinträchtigt sei.

Festsitzende Polizisten

Vor dem Amtssitz des katalanischen Vize-Regierungschefs in Barcelona hatten in der Nacht auf Donnerstag tausende Demonstranten ausgeharrt. Einige hielten den Zugang zu dem Gebäude sowie zum Wirtschaftsministerium besetzt. Nach Polizeiangaben saßen in den beiden Regierungsgebäuden mehrere spanische Polizisten stundenlang fest, die dort Büros durchsucht hatten.

Die Proteste hatten Mittwochfrüh begonnen, nachdem die paramilitärisch ausgerichtete Polizeieinheit Guardia Civil, die der spanischen Zentralregierung unterstellt ist, in die wichtigsten Büros der Regionalregierung in Barcelona eingedrungen war, um diese zu durchsuchen. 14 Mitarbeiter der Regionalregierung wurden festgenommen, darunter Josep Maria Jove, die rechte Hand von Vize-Regierungschef Oriol Junqueras.

Nach Angaben des spanischen Innenministeriums kamen drei Festgenommene inzwischen wieder frei. Zuvor hatte die spanische Polizei bereits Millionen Stimmzettel sowie anderes Material für das Votum beschlagnahmt.

"Spielregeln verändert"

Mit Blick auf das Einschreiten der spanischen Polizei auf Anordnung aus Madrid sagte Junqueras am Donnerstag dem Sender TV3: "Es ist offensichtlich, dass die Spielregeln verändert wurden." Junqueras, der der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC angehört, fügte hinzu: "Die Umstände sind heute anders, weil ein Großteil unseres Teams festgenommen worden ist."

Es sei "offensichtlich", dass die Abstimmung am 1. Oktober nicht wie vorgesehen abgehalten werden könne. Er sei aber überzeugt, dass die Mehrheit der Katalanen abstimmen wolle und versicherte, das Votum trotz aller Widerstände möglich machen zu wollen. Umfragen zeigen, dass die Katalanen zwar tief gespalten sind hinsichtlich einer Unabhängigkeit von Spanien, eine große Mehrheit aber eine Abstimmung in geordnetem Rahmen und mit Zustimmung Madrids befürwortet.

Spaniens Regierung betrachtet die Volksabstimmung als illegal, das Verfassungsgericht in Madrid erklärte das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister ein, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy hatte am Mittwochabend in einer Fernsehansprache gesagt, der "Ungehorsam" müsse "ein für alle Mal gestoppt werden". Noch sei Zeit, "größere Probleme abzuwenden".

"Interne Angelegenheit"

Im Regionalparlament in Barcelona haben die Unabhängigkeitsbefürworter seit 2015 die Mehrheit. Viele größere katalanische Städte sind aber gegen eine Loslösung von Spanien.

Die EU-Kommission wollte sich am Donnerstag nicht zu Rufen nach einer Vermittlerrolle in dem Konflikt äußern. "Wir respektieren die verfassungsmäßige Ordnung Spaniens", sagte der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Eine hochrangige EU-Vertreterin räumte ein, dass die EU "den gesamten Prozess mit großer, großer Sorge verfolgt". Letztlich gehe es aber um eine "interne Angelegenheit" Spaniens, sagte sie vor Journalisten. Die Linie der EU hier sei: "Wir vertrauen auf die Demokratie."

Die österreichische Bundesregierung gab sich zurückhaltend: "Ich werde mich hüten, spanisches Recht zu interpretieren", antwortete Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf die Frage der APA, ob es ungeachtet der spanischen Rechtsregelungen politisch und moralisch vertretbar sei, das für 1. Oktober angesetzte Referendum zu verbieten. "Das ist eine innerspanische Angelegenheit", sagte auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Die Spitzenkandidaten der derzeitigen Oppositionsparteien – FPÖ, Grüne und NEOS, sprachen sich klar gegen ein Verbot des Referendums aus. (APA, 21.9.2017)