Im Wahlkampf zählen Betriebsbesuche zum Kerngeschäft, auch bei ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz, der sich im Juni bei der Tischlerei Helmer in Obersdorf umsah.

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Mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten hat es die ÖVP aber nicht ganz so eilig wie die SPÖ unter Parteichef Christian Kern, der hier im August den Pharmagroßhändler Herba Chemosan in Wien besuchte.

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Wien – Noch lebt die Hoffnung der Roten. Im Gegensatz zu ihren Plänen für eine Reform des Mietrechts bekam ein SPÖ-Fristsetzungsantrag zur rechtlichen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten am späten Mittwochabend dank der Zustimmung durch Grüne und Freiheitliche eine Mehrheit. Somit könnte der Gesetzesentwurf bei der nächsten Sitzung am 12. Oktober, also drei Tage vor der Nationalratswahl, noch beschlossen werden und mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten.

Die ÖVP ging bei dem Vorstoß nicht mit. Für die Schwarzen vulgo Türkisen ist das Thema kein unheikles. Parteichef Sebastian Kurz hat die langjährige Forderung der SPÖ nämlich in sein Wahlprogramm übernommen. Dort ist nachzulesen: "Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten bedeutet zusätzliche Bürokratie." Und: "Wir wollen diesen Anachronismus überwinden und einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff etablieren." Hinzugefügt wird aber auch, dass man bei der Harmonisierung "mit Augenmaß" vorgehen müsse und es "Übergangsphasen" brauche.

Interne Kritik

Hinter vorgehaltener Hand wird in Wirtschaftskammer-Kreisen deshalb auch Kritik an diesem Teil des Wahlprogramms geübt. Kurz hat auch bereits wiederholt betont, den Einfluss der Sozialpartner zurückdrängen zu wollen. In den zuletzt aufgetauchten angeblichen ÖVP-Strategiepapieren war sogar die Rede von einer Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern – ins offizielle Programm wurde das aber nicht aufgenommen.

Freilich sind im Wahlkampffinale alle Wirtschaftsbündler so diszipliniert, dass sie ihren Unmut über Kurz nicht offen äußern. Die Wirtschaftskammer schickte am Donnerstag Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser vor, um via Aussendung vor "politischen Schnellschüssen" durch SPÖ und FPÖ zu warnen. Hochhauser rechnet mit einer Mehrbelastung für die Unternehmen "in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro".

Was sieht nun der Entwurf der Sozialdemokraten vor?

  • Kündigung: Bei den Kündigungsregelungen würde man die derzeit wesentlich besseren Bestimmungen der Angestellten auch auf die Arbeiter anwenden. Das heißt: Die Kündigungsfrist beträgt mindestens sechs Wochen (derzeit kann sie bei Arbeitern je nach Kollektivvertrag weniger als 14 Tage betragen). Für langjährige Mitarbeiter würde die Kündigungsfrist aber deutlich länger ausfallen. Nach fünf Dienstjahren sind drei Monate geplant, nach 15 Dienstjahren vier Monate und nach 25 Dienstjahren fünf Monate. Für ältere Arbeiter würde die Änderung also im Kündigungsfall einige tausend Euro Unterschied machen.

    Bei Selbstkündigung durch die Arbeitnehmer würde für alle eine Frist von einem Monat gelten (bei Arbeitern gibt es derzeit nach Branchen unterschiedliche Regelungen).

  • Dienstverhinderung: Arbeiter sollen von jener Regelung profitieren, wonach auch bei Dienstverhinderung aus persönlichen Gründen (krankes Kind, Beerdigung) Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. In manchen Kollektivverträgen ist das derzeit bei Arbeitern ausgeschlossen.

  • Krankheit: Umgekehrt sollen die Angestellten in anderen Bereichen von besseren Regeln der Arbeiter profitieren. So soll die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall grundsätzlich für alle sechs Wochen betragen und bereits nach einem Dienstjahr auf acht Wochen steigen (statt bisher erst nach fünf Jahren). Bei Angestellten gab es bisher je nach Dauer der Firmenzugehörigkeit unterschiedliche Regelungen. Lehrlinge würden acht statt vier Wochen Lehrlingsentschädigung im Krankheitsfall bekommen.

Da es also in allen Bereichen zu Verbesserungen kommen würde, warnt die Industriellenvereinigung schon vorsorglich, die Angleichung könne nicht nur "nach dem Rosinenprinzip erfolgen". Die Wirtschaftskammer fordert eine öffentliche Begutachtung sowie die Einbindung der Sozialpartner. Den betroffenen Branchen müsse die Möglichkeit gegeben werden, "ihre branchenspezifischen Rahmenbedingungen einzubringen", so Hochhauser. (Günther Oswald, 21.9.2017)