Vor allem seit der Zugang zur Hacklerregelung und Invaliditätspension erschwert wurde, steht das Instrument der Altersteilzeit hoch im Kurs.

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Wien – Ein in der Regel von Experten positiv bewertetes Modell wird wegen der starken Nachfrage mittlerweile etwas skeptischer gesehen: die Altersteilzeit. Mit dem Instrument können Ältere quasi in die Pension gleiten.

Die Beschäftigten können ihre Arbeitszeit um 40 bis 60 Prozent reduzieren, verlieren aber nur 20 bis 30 Prozent des Entgelts. Das Arbeitsmarktservice zahlt nicht nur das Gros der Differenz, der Beschäftigte wahrt auch seine Pensions- und Abfertigungsansprüche auf dem Niveau vor der Arbeitszeitverkürzung.

Frauen können mit 53, Männer mit 58 in Altersteilzeit gehen. Die Förderung rennt aber maximal fünf Jahre. Neben der kontinuierlichen Verkürzung der Arbeitszeit gibt es auch noch die Blockvariante, in der erst voll, dann gar nicht mehr gearbeitet wird. Allerdings muss der Arbeitgeber hier bei Beginn der Freizeitphase eine Ersatzkraft einstellen.

Ersatz für Hacklerregelung

Die Altersteilzeit funktionierte lange, brachte Arbeitgebern vielfach eine finanzielle Entlastung und Arbeitnehmern mehr Freizeit. Das sich nun abzeichnende Problem: Das Modell funktioniert zu gut.

Vor allem seit der Zugang zur Hacklerregelung und Invaliditätspension erschwert wurde, steht das Instrument hoch im Kurs. Pendelte die Zahl der Teilnehmer des Programms jahrelang um die Zahl 17.000, gibt es seit 2015 einen markanten Anstieg, der im Vorjahr zu 27.700 Förderfällen führte. Heuer geht es in diesem Tempo weiter: Laut Arbeitsmarktservice befanden sich im August 33.488 Personen in Altersteilzeit.

Die Kosten steigen damit munter weiter. Schon im Vorjahr wurde der Budgetwert mit 349 Millionen um fast 120 Millionen Euro überschritten. In den ersten sieben Monaten liegen die Ausgaben für die Altersteilzeit neuerlich um 46 Millionen über dem Wert von 2016. Das AMS schätzt die Ausgaben heuer auf mehr als 420 Millionen Euro.

Allein die jetzt schon in dem Programm befindlichen Personen werden bis 2023 Kosten von 899 Millionen verursachen. Ökonomen sehen die Altersteilzeit grundsätzlich positiv, weil der fließende Übergang in die Pension aus gesundheitlichen Gründen vorteilhaft sei und weiterhin die Erwerbstätigkeit beibehalten werde, wie Experte Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut erklärt.

Allerdings werde das Instrument auch genützt, "um die Kostenstruktur auf Kosten der öffentlichen Hand zu ändern".

"Belastung für Allgemeinheit"

In diese Kerbe schlägt auch Christian Keuschnigg, Professor an der Universität in St. Gallen und früherer Leiter des Instituts für Höhere Studien.

Er sieht zwar ebenfalls eine positive Wirkung des Modells, weil es mit einem flexiblen Übergang in den Ruhestand verbunden sei, allerdings auch eine stark geförderte Umgehung der Frühpension.

Dass der Druck der Arbeitgeber auf die Mitarbeiter steigt, in Altersteilzeit zu gehen, sollte nicht der Allgemeinheit angelastet werden, findet Keuschnigg: "In dieser Form ist das eine Belastung für die Allgemeinheit." Stattdessen schlägt er vor, das Problem an den Wurzeln zu packen. Das sei das Senioritätsprinzip, bei dem die Löhne und Gehälter mit zunehmendem Alter dank automatischer Vorrückungen steigen.

"Es gibt einen Anreiz, die steigenden Kosten durch die Altersteilzeit abzufedern", erklärt Keuschnigg im Gespräch mit dem STANDARD. (Andreas Schnauder, 22.9.2017)