Keine Angst, ihr Narren, der Fasching ist gerettet. Das Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz – mit der schönen Abkürzung AGesVG – beinhaltet Ausnahmen, die im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen das Anlegen von Perchtenmasken und ähnlichen Verkleidungen bis zur Unkenntlichkeit erlauben. Auch wer beim Herunterrutschen auf der Streif Ski-Assen nacheifert, darf Helm und Skibrille auflassen. Und sollte Maria Rauch-Kallat noch Grippemasken übrig haben, darf sie diese zumindest auf ärztliche Empfehlung hin und mit einem ärztlichen Attest in der Tasche in der Öffentlichkeit tragen.

Aber sonst wird es ab 1. Oktober, wenn das AGesVG in Kraft tritt, außerhalb ihrer eigenen vier Wände eng für Gesichtsverweigerer. Bis zu 150 Euro kostet die Verwaltungsübertretung. Im Falle einer Weigerung kann die Polizei sogar Festnahmen aussprechen und renitente Verhüller mit auf die Dienststelle nehmen, wo zumindest zur Identifizierung der Schleier gelüftet werden muss.

In erster Linie geht es darum, muslimischen Frauen das Tragen von Nikab oder Burka in der Öffentlichkeit zu verbieten. Denn Ziel des Bundesgesetzes ist "die Förderung von Integration durch die Stärkung der Teilhabe an der Gesellschaft und die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens in Österreich". Obwohl sich Experten nicht einig waren, ob das Gesetz Sinn macht oder unsinnig ist, wurde es politisch im Rahmen des jüngsten Fremdenrechtspaketes abgesegnet.

Auf Schritt und Tritt vom Algorithmus verfolgt

Die Erfahrungen mit ähnlichen Regelungen in Frankreich, Belgien und im Schweizer Tessin sind zu jung, um valide Erkenntnisse herauszufiltern. Was uns erreicht, sind Meldungen über einzelne eskalierte Amtshandlungen oder die Ankündigung des algerisch-französischen Geschäftsmannes Rachid Nekkaz, dass seine Interessengemeinschaft für Verhüllungsstrafen aufkomme.

Obwohl es also in erster Linie um das sogenannte Burkaverbot geht, musste das AGesVG religionsneutral formuliert werden. Was auch grundsätzlich gelungen ist. Doch der Preis dafür sind eben viele andere verbotene Verhüllungen, bei denen sich bisher kein Mensch etwas gedacht hat. In Wahrheit handelt es sich um einen der schwersten Grundrechtseingriffe der vergangenen Jahre. In der Zweiten Republik wurde – mit Ausnahme des Vermummungsverbotes, das aber nicht generell gilt, sondern im Bedarfsfall, etwa bei Demonstrationen, ausgesprochen wird – noch nie jemandem vorgeschrieben, sich nur mit offenem Visier auf die Straße zu wagen. Grundlos, außerhalb der Narrensaison, mit einer Guy-Fawkes-Maske herumzuspazieren, ist künftig ein Verwaltungsstrafdelikt.

Man wird das Gefühl nicht los, dass dieses Bestreben, die Bürger jederzeit, also auch ohne konkretes Bedrohungsszenario erkennen zu können, kein Zufall ist. Das Burkaverbot war für die Sicherheitsbehörden willkommener Anlass, übers Ziel hinauszuschießen.

Kameras, die biometrische Daten auswerten, sind nicht einmal der vorletzte Schrei. Gesichtserkennung in der Unterhaltungselektronik zeigt, welche Möglichkeiten der Überwachung es mit der Verknüpfung von persönlichen und mobilen Daten gibt. Wir sollten uns rasch entscheiden, ob wir den Hütern des staatlichen Algorithmus erlauben, uns auf Schritt und Tritt zu verfolgen.

Aber jetzt freuen wir uns einmal auf den Fasching und basteln eine Maske. (Michael Simoner, 22.9.2017)