Das Antigesichtsverhüllungsgesetz betrifft nicht nur Burkaträgerinnen.

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Erlaubt – unter bestimmten Umständen erlaubt – verboten.

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Das Antigesichtsverhüllungsgesetz wird ab Oktober umgesetzt, ab dann ist es verboten, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu verschleiern. Eine Organstrafverfügung von bis zu 150 Euro und sogar Festnahme, wenn die Verhüllung in der Öffentlichkeit nicht abgelegt wird, sieht das neue Gesetz vor. Das wirft Fragen bei Lesern auf. In der öffentlichen Diskussion ging es immer nur um das Burkaverbot, nun können auch Schal und Haube unter bestimmten Umständen verboten sein. Das verunsichert viele User, andere wiederum wünschen sich konsequentes Einschreiten:

Doch wie genau wird das in der Praxis vonstattengehen? Der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, beantwortet Fragen der User. Ausgewählt hat die Fragen aus den STANDARD-Foren Judith Handlbauer.

Bogumil Balkansky fragt sich, ob damit der Schein der Demokratie gewahrt bleiben soll, weil die Dinge nicht beim Namen genannt werden:

Judith Handlbauer: Ein User kritisert, dass die Burka ja Produkt der Misogynie sei, die anderen, mitgenannten Verhüllungen nicht. Warum fallen auch andere Verhüllungen unter das sogenannte Burkaverbot? Wird die Polizei Trägerinnen von Burkas und Nikabs vorrangig auf dem Radar haben, wenn es um die Exekution des Gesetzes geht?

Karl-Heinz Grundböck: Aufgabe der Polizei ist das Vollziehen der gesetzlichen Bestimmungen. Das Gesetz ist nicht religiös konnotiert, sondern neutral formuliert. Der Gesetzgeber erhebt damit grundsätzlich den allgemeinen Anspruch, dass das Gesicht in der Öffentlichkeit unverhüllt sein muss, vorbehaltlich der gesetzlich bestimmten Ausnahmen.

Handlbauer: Viele User irritiert, dass auch andere, durchaus alltägliche Verhüllungen des Gesichts unter das neue Gesetz fallen. Was ist ab 1. Oktober erlaubt, was nicht? Wie viel Handlungsspielraum hat die Polizei?

Grundböck: Das Antigesichtsverhüllungsgesetz sieht vor, dass an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden die Gesichtszüge nicht durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt beziehungsweise verborgen werden dürfen, dass diese nicht mehr erkennbar sind.
Zahlreiche Tatbestände sind von dem Verbot ausgenommen, siehe auch die Information des Innenministeriums. Keine Verwaltungsübertretung liegt etwa bei Erfüllung einer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung (zum Beispiel das Tragen eines Sturzhelms) vor. Weiters sind auch künstlerische, kulturelle oder traditionelle Veranstaltungen, Verhüllungen im Rahmen der Sportausübung oder aus gesundheitlichen beziehungsweise beruflichen Gründen von dem Verbot nicht betroffen.
Die gesetzlich geregelten Ausnahmen bedeuten nicht, dass das generelle Tragen der genannten Gesichtsverhüllungen zulässig ist. Vielmehr hat der zuständige Exekutivbeamte den Einzelfall entsprechend zu beurteilen. In jedem Anlassfall gilt das allgemeine Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Handlbauer: Welche Kultur ist bei kultureller Veranstaltung gemeint? Wie wird die Polizei hier vorgehen?

Grundböck: Der Gesetzgeber hat dazu keine Auflistung vorgenommen. Die Polizei wird dies anlassbezogen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit beurteilen.

Handlbauer: Auf Twitter schreibt das BMI, dass Schal und Haube, tief in die Stirn gezogen, bei Frost erlaubt sind. Nicht auszuschließen, dass Bürger nicht nur bei Minusgraden fröstelt. Welche Richtlinie gibt das Innenministerium hier vor? Ab wann ist es erlaubt, den Schal über die Nase zu ziehen und die Haube tief in die Stirn?

Grundböck: Der Gesetzgeber hat hinsichtlich Temperatur keine Festlegung getroffen. Die Polizei wird diese Frage im Gesamtzusammenhang und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit beurteilen.

Handlbauer: Unter Brauchtum und Tradition wird vermutlich das Tragen eines Brautschleiers fallen. Braucht es für Verkleidungen im Sinne der Brauchtumspflege Genehmigungen einer Behörde?

Grundböck: Nein. (29.9.2017)