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Foto: Picturedesk / Michael Gruber

Wien – Antonella Mei-Pochtler, 59, hört Ende des Jahres auf, um allenfalls beginnen zu können. Aufhören wird die Unternehmensberaterin als Senior-Partnerin und Chefin der Boston Consulting Group (BCG) Wien und München, beginnen möchte sie als Eigentümerin des angeschlagenen börsennotierten Strumpfherstellers Wolford AG.

Das Unternehmen braucht frisches Kapital, die derzeitigen Mehrheitsaktionäre, die Familie Palmers bzw. ihr zuzurechnende Stiftungen, wollen aber nichts mehr einschießen. Mei-Pochtler, bis vor Kurzem Aufsichtsratschefin bei Wolford, hat sich nun mit einem internationalen Konsortium zusammengetan, man will als "unternehmerischer Investor" (Mei-Pochtler im Trend) bei Wolford einsteigen. In ihren Augen könnte die Masche in Wolfords Finanzen binnen fünf Jahren repassiert sein. Bei BCG wäre ihr Job damit perdu, da die Beratungsgruppe derartige Engagements für unvereinbar hält.

Humanist Kurz

Mei-Pochtler macht derzeit aber nicht nur wegen ihrer Ambitionen beim Vorarlberger Strumpf- und Wäschekonzern von sich reden, sondern wegen ihrer politischen Zuarbeit. Konkret zählt sie zu den einflussreichsten Beratern von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und hält damit auch nicht hinter dem Berg. "Man versucht ihn ins neoliberale Eck zu stellen, aber in Wahrheit ist er ein differenzierter und faktenbasierter Politiker mit einem humanistischen Weltbild", sagte sie in einem Interview mit dem Magazin Trend.

Sebastian Kurz

Keinen Zweifel lässt sie an der ÖVP-Devise, dass man zur Senkung der Abgabenquote "ein paar radikalere Schritte gehen und manche Leistung auch infrage stellen muss". Und in einem ÖVP-Video bringt sie die Dringlichkeit von Reformen so auf den Punkt: "Wir können nicht nur von der Schönheit des Landes leben."

Programm als "Trägerrakete"

Die Zusammenarbeit mit Kurz dauert schon länger: Mei-Pochtler beriet ihn in seiner Funktion als Staatssekretär für Integration. Im Vorjahr wurden diverse Arbeitskreise in der Politischen Akademie der ÖVP (Polak) installiert, deren Leiter Kurz schon war, als noch Reinhold Mitterlehner die Partei führte. Für Insider besteht kein Zweifel, dass Kurz über diese Schiene das Programm für seine türkise Bewegung ausarbeiten ließ. "Die Polak-Aktion war die Trägerrakete für das Wahlprogramm", sagt einer, der dabei war. Mei-Pochtler leitete dabei den Arbeitskreis für Wirtschaft.

Über das Gewicht ihres Beitrags in der Gruppe gibt es aber unterschiedliche Denkschulen. Während manche ihre Handschrift bei den Wirtschaftsthemen erkennen wollen, sollte man "ihre Rolle bei der Programmerstellung nicht überbewerten", sagt ein Mitglied des Kreises zum Standard. Als Beraterin lebt Mei-Pochtler seit Jahrzehnten bestens von ihrem exzellenten Netzwerk, insbesondere in der österreichischen Industrie.

Expertise hinterfragt

Das heißt aber nicht, dass ihr Wirken nicht auch kritisch hinterfragt würde. Vor allem in der Verstaatlichten hat die Mutter dreier Kinder viele Aufträge an Land gezogen, ob bei Amag oder Böhler-Uddeholm. Ihre strategische Expertisen seien dann mitunter hinter der exzellenten Präsentation zurückgeblieben. "Etwas mehr Schein als Sein", beschreibt das ein einstiger Kunde.

Die gebürtige Italienerin – die in Rom eine deutsche Schule besucht hatte – hat Wirtschaftswissenschaften in München sowie in Rom und an der französischen Eliteuniversität Fontainbleau studiert. Die Seglerin ist mit dem Industriellen Christian Pochtler verheiratet, dem die u. a. auf Airbags spezialisierte Wiener Gesellschaft iSi Group gehört.

Wie die allseits als sehr ehrgeizig beschriebene Senior-Partnerin der BCG den Alltag mit drei Töchtern bewältigt hat, beschrieb sie im Spiegel einst so: "Der Business-Alltag wird kunstvoll um wichtige Familientermine wie Geburtstage herum geplant." Selbst im Wochenbett "hatte sie stets ein Faxgerät in Reichweite", hieß es im deutschen Manager Magazin in einem Artikel zum Thema Mütter und Karriere, für das die einstige STANDARD-Kolumnistin gern als Role-Model herangezogen wurde. (gras, 23.9.2017)