Emmanuel Macron stellte seine Pläne für eine EU-Reform am Dienstag vor.

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Emmanuel Macron macht der EU Beine. Seit seiner Wahl zum französischen Präsidenten hat er 22 der 27 anderen Staats- und Regierungschefs besucht, um für seine Initiative zu werben. Am Dienstag präzisierte er den Plan an der Sorbonne-Universität vor Studenten – bewusst zwei Tage nach der Bundestagswahl in Deutschland. Seine Berater beteuern, das geschehe nicht, um Druck auf die Koalitionsverhandlungen und den zukünftigen Regierungskurs in Berlin auszuüben; vielmehr habe Macron auf seine Partnerin Angela Merkel Rücksicht nehmen und bis zur Wahl zuwarten wollen. Das hindere ihn aber nicht daran, "den Deutschen klar zu sagen, was Frankreich erwartet", fügte der Macron-Diplomat an.

Macron schlug in seiner Rede dann diverse neue Gremien vor, so eine europäische Eingreiftruppe, eine Zivilschutztruppe für Unglücke und Katastrophen, eine europäische Asylbehörde und eine neue Grenzpolizei. Dazu neue Steuern auf Finanztransaktionen, auf CO2 und auf die Internetumsätze von Großkonzerne wie Amazon oder Google.

Ringen um Eurobudget

Kern der Macron’schen Vorschläge ist allerdings die Bildung eines "Budgets im Euroraum". Finanziert würde es unter anderem durch die erwähnten Steuern. Ziel sei die Finanzierung von Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur und digitale Wirtschaft.

Macron hat seine Rede auf seine Facebook-Seite gestellt.

Macron blieb allerdings überraschend vage, was die Rahmenbedingungen eines solchen Eurohaushaltes anbelangt. Er weiß, dass in Deutschland viele gegen diese Pläne sind. FDP-Chef Christian Lindner, der in Berlin als möglicher Finanzminister gehandelt wird, hatte sich noch am Wahlabend in aller Form gegen eine Vergemeinschaftung der europäischen Mittel ausgesprochen. Wohl deshalb ging Macron nicht in Details. Im Sommer hatte er in einem Interview den Umfang des Eurobudgets noch sehr präzise auf "mehrere Prozentpunkte" des vereinten Bruttosozialprodukts des Euroraums beziffert. Das entspräche einem Betrag von 200 bis 300 Milliarden Euro.

Die Kanzlerin unter Druck

Merkel hatte Macrons Pläne schon am Montag sehr vorsichtig aufgenommen: Der Zeitpunkt für Beschlüsse sei noch nicht gekommen, erklärte sie in Berlin. Momentan unter Druck von rechts, kann die Kanzlerin Macron derzeit nicht weiter entgegenkommen – selbst wenn sie wollte. Ihr noch amtierender Finanzminister Wolfgang Schäuble ist wie Lindner gegen einen Eurohaushalt und einen Eurominister und zieht eher die Bildung eines Europäischen Währungsfonds vor. Dieser könnte in Krisenlagen eingreifen und würde allzu spendablen Mitgliedsländern auf die Finger schauen.

In Paris ist nicht nur Macron der Ansicht, dass die europäische Wirtschaft neben nationalen Strukturreformen auch neue Investitionen braucht. Am Montag hatte sein Premierminister Edouard Philippe – der aus der konservativen Partei der Republikaner kommt – einen nationalen Investitionsplan über 57 Milliarden Euro veröffentlicht.

ORF-Korrespondenten Eva Twaroch und Peter Fritz analysieren die Pläne Emmanuel Macrons, die EU reformieren zu wollen. Beitrag aus der ZiB am Dienstag.
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Von links erhielt Macron Unterstützung durch den Starökonomen Thomas Piketty. Dieser verlangt ebenfalls die Bildung einer Euroregierung mit zugeordnetem Parlament. Und er verhehlt nicht, dass dieses Eurogremium "nach links tendieren" werde und dank der Mithilfe konservativer Regierungen wie etwa jener in Spanien die Mehrheit haben würde – gegen die deutsche Austeritätspolitik.

Zwischen links und rechts

Macron selbst äußerte sich nicht so deutlich, zumal er sich weder der Rechten noch der Linken zuordnet. Er bemühte sich auch, in seiner Rede keine Gräben zwischen deutscher und französischer Eurosicht aufzureißen. Unübersehbar ist aber, dass sich der neue Herrscher im Élysée nicht an die Gepflogenheiten seiner Vorgänger Nicolas Sarkozy oder François Hollande hält, die jeweils mit Merkels Beratern hinter geschlossenen Türen deutsch-französische Initiativen austüftelten und damit dann an die Öffentlichkeit und an die anderen EU-Mitglieder herantraten.

Macron hingegen verzichtet auf ein gemeinsames Vorgehen und lässt seine Vorschläge mitten in die politisch geladene Nachwahlstimmung in Deutschland platzen. Sehr diplomatisch ist das nicht. Aber der 39-jährige Franzose will keine schönen Worte über deutsch-französische und europäische Freundschaften. Er will Taten. (Stefan Brändle aus Paris, 26.9.2017)