Eine Kreuzotter im Großglocknergebiet. In Österreich sind Kreuzungen mit der...

Frank Vassen

...Aspisviper nicht möglich, da diese hier nicht heimisch ist. In der Region Loire-Atlantique kommt es hingegen zu seltenen Hybridisierungen.

Felix Reimann

Basel/Wien – Kreuzotter und Aspisviper gehören zu den wenigen Giftschlangen in unseren Breiten, sie kommen aber so gut wie gar nicht gemeinsam vor. Während Vipera berus, die Kreuzotter, in fast ganz Eurasien heimisch ist, aber im Süden Frankreichs, auf der Iberischen Halbinsel und in Italien außerhalb von Südtirol nicht zu finden ist, hat die ähnlich gezackte, aber noch giftigere Vipera aspis ihr Zuhause in Italien, dem Süden Frankreichs, in Nordspanien, Teilen der Schweiz und Sloweniens sowie in zwei Tälern des südlichen Schwarzwaldes.

Die Trennung wäre perfekt, wären da nicht ein paar "gallische Dörfer" im Département Loire-Atlantique im Westen Frankreichs. Denn dort kreuzen sich die Wege der beiden lebend gebärenden Vipernarten. Aber kommt es dort tatsächlich zu Kontakten?

Über 1000 gefangene Vipern

Zwölf Jahre lang hat ein Team um den Schweizer Biologen Sylvain Ursenbacher (Uni Basel) in Westfrankreich die sich geografisch überlappenden Populationen der beiden Vipernarten erforscht. Dazu fing das Forschertrio jedes Jahr an sonnigen Tagen Vipern ein. 544 Kreuzottern und 549 Aspisvipern wurden gewogen, gemessen und auf Anzeichen von Hybridisierung untersucht.

Zehn Individuen wiesen deutliche Kreuzungsmerkmale auf. Diese Reptilien wurden molekularbiologisch analysiert. Als Vergleichsprobe untersuchten die Forscher auch die DNA von jeweils 20 Nichthybriden, die außerhalb der Überlappungszone gefangen wurden.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Hybridisierung stattfindet und zielgerichtet ist, weil es in allen untersuchten Fällen weibliche Aspisvipern und männliche Kreuzottern betrifft", schreiben die Forscher in ihrer im "Journal of Zoology" erschienenen Studie.

Zwischen den beiden Normmaßen

Unter den gekreuzten Individuen befanden sich sowohl Kreuzungen aus beiden Vipernarten als auch Rückkreuzungen, die aus der Paarung von Kreuzottermännchen mit Hybridenweibchen hervorgegangen sind. Alle untersuchten Hybride wiesen Körperlängen und Kopfschilde auf, die zwischen den Normmaßen beider Schlangenarten liegen.

Die Forscher hatten das Glück, auch drei trächtige Hybridenweibchen einfangen zu können. Um die Lebensfähigkeit dieser Nachkommen war es aber eher schlecht bestellt: Die große Mehrzahl der Eier im Körper war nicht entwickelt.

Wenige überlappende Habitate

Generell unterscheiden sich die Lebensräume beider Vipernarten fundamental. Kreuzottern, die bis in den Norden Skandinaviens vorkommen, sind an Kälte angepasst und kommen auch in feucht-sumpfigen Gegenden zurecht, während Aspisvipern trockene und wärmere Lagen benötigen. Frühere Recherchen nach Hybriden waren erfolglos geblieben – offenbar deshalb, weil wegen des Klimas in den bergigen Untersuchungsgebieten die Paarungszeiten der beiden Arten nicht zusammenfielen.

In der flachen Region Loire-Atlantique aber sind die Paarungsmonate identisch. Dort haben Eingriffe des Menschen in die Landschaft die Hybridisierung zwischen den beiden Lauerjägern laut der Studie erst ermöglicht: zunächst die Trockenlegung von Sümpfen, die Aspisvipern meiden, dann die Abholzung vieler Hecken. Die Landschaft wurde monotoner, ökologische Barrieren zwischen den beiden Vipernarten wurden ausradiert, sodass sich Lebensräume vermischten.

Lange evolutionäre Trennung

Der Befund der Studie aus dem Westen Frankreichs überrascht, weil Hybridisierung in der Regel nur zwischen evolutionsgeschichtlich nahe verwandten Arten stattfindet. Kreuzotter und Aspisviper haben sich jedoch schon vor etwa 13 Millionen Jahren entwicklungsgeschichtlich voneinander getrennt – was ein heutiges Rendezvous der beiden Spezies unter den Hecken des Loire-Tals nicht ausschließt. (Kai Althoetmar, 27.9.2017)