Ein überaltertes Werk der Voest wird ersetzt.

Foto: apa/Hans-Klaus Techt

Die Entscheidung ist gefallen: Die Voestalpine investiert nach langem Nachdenkprozess in ein neues Edelstahlwerk im steirischen Kapfenberg. Der Aufsichtsrat hat am Mittwoch grünes Licht für die bis zu 350 Millionen Euro schwere Investition gegeben. In Europa ist schon seit 40 Jahren kein solches Werk mehr gebaut worden. Frühere Pläne für ein Edelstahlwerk in China sind damit laut Konzernchef Wolfgang Eder vom Tisch.

Die Landesregierung ist froh über die Großinvestition der Voest in Kapfenberg: durch das neue Edelstahlwerk würden tausende Arbeitsplätze gesichert. Beitrag aus der ORF-Sendung "Steiermark heute".
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Zwei Jahre hatte sich der Stahlkonzern Zeit für seine Überlegungen genommen. Die europäische Klimapolitik und eine drohende Strompreiserhöhung von bis zu 40 Prozent durch die geplante getrennte Strompreiszone Österreich – Deutschland hatte Eder immer als mögliche Hürden für den Verbleib in Kapfenberg genannt. Die komplette Trennung der Strompreiszone ist vorerst vom Tisch. "Die Diskussion war das Zünglein an der Waage", so Eder bei einer Telefonkonferenz. Letztendlich habe aber die "hochqualifizierte und motivierte Mannschaft" den Ausschlag gegeben. "Ihr profundes Wissen und ihre Einsatzbereitschaft wiegen letztlich stärker als alle kritischen Aspekte."

Forschungsumfeld

Ausschlaggebend für die Standortentscheidung zugunsten Kapfenbergs waren aber für den Konzern auch "das hervorragende Forschungsumfeld im Bereich der Metallurgie, die Technischen Universitäten in Graz und Wien, die Fachhochschulen und die vorhandene Infrastruktur".

Selbst für die Lokalpolitik fand Eder – stets prononcierter Kritiker auch der heimischen Politik – lobende Worte: "Wir haben gelernt, dass sich auch das Land Steiermark und Kapfenberg sehr bemüht." Das aus gutem Grund:_Es geht um die Erhaltung von rund 3000 Arbeitsplätzen direkt im Werk, in der Region hängen indirekt sehr viel mehr daran. Ganz ohne Seitenhieb kommt Eder aber trotz hörbarer Feierstimmung nicht aus: "Man sollte jetzt nicht glauben, dass man die Dinge wieder schleifen lassen kann."

Das neue Werk neben dem bisherigen Werksgelände wird das derzeitige Böhler-Werk ersetzen, das zum Teil über 100 Jahre alt ist. Die baulichen Vorbereitungen starten noch vor dem Jahreswechsel. 2021 soll die neue Anlage zur vollautomatisierten Herstellung von Werkzeug- und Spezialstählen in Betrieb gehen. Wobei das Volumen mit rund 205.000 Tonnen in etwa jenem im alten Werk entsprechen wird.

Steirische Spezialitäten

Was die neue Anlage können soll, beschreibt Franz Rotter, Vorstandsmitglied und Leiter des Unternehmensbereichs High Tech Performance Division, so: höhere Agilität, höhere Produktivität, höhere Kosteneffizienz. Man könne dort auch neue Qualitätsstähle, etwa für die Luftfahrt- oder Automobilindustrie, verarbeiten. Zusammen mit dem eben eröffneten Drahtwalzwerk in Leoben/Donawitz entstehe hier ein Zentrum modernster Stahlerzeugung und Weiterverarbeitung, so Rotter und Eder.

Dass das bisher erwartete Investitionsvolumen in Kapfenberg von 250 bis 300 Millionen Euro auf 330 bis 350 Millionen steigen soll, erklärt sich dadurch, dass über den engeren Werksbereich hinaus einige Erweiterungen in Sachen Infrastruktur vorgenommen werden.

Eine Herausforderung wird die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter für die neuen Anlagen sein, räumen die Voest-Chefs ein. "Mit Sicherheit wird es aber keine Freisetzung geben, die über die natürliche Fluktuation hinausgeht", so Eder. Die digitalisierte Zukunft malt er seiner Belegschaft geradezu rosig aus: "Menschen sind nicht mehr Diener der Maschinen, sondern können ganze Prozesse steuern."

Um dahin zu kommen, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Eine Etappe wird die Einrichtung eines Kompetenzcenters für Digitalisierung vor Ort sein.

In der Steiermark herrscht angesichts der Entscheidung naturgemäß helle Freude. "In Kapfenberg geht es um Wohlstand oder nicht Wohlstand", hatte Bürgermeister Fritz Kratzer (SPÖ) die Bedeutung davor im ORF-Radio skizziert. Einen Plan B hatte er nach eigenem Bekunden nicht. (rebu, 27.9.2017)