Mark Dion tauchte Vögel, Echsen und sogar ein Skelett in Teer, um Besuchern des Naturhistorischen Museums ins Bewusstsein zu rufen, dass der Tod hier allgegenwärtig ist.


Foto: Mumok / Klaus Pichler

Wien – Dem US-Künstler Mark Dion wurde ein langgehegter Wunsch erfüllt: Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre habe er davon gesprochen, dass er gerne im Naturhistorischen Museum Wien ausstellen würde, einem seiner Lieblingsmuseen. An einen gemeinsamen Rundgang vor langer Zeit erinnerte sich Mumok-Direktorin Karola Kraus anlässlich des Pressegesprächs zur Ausstellung Naturgeschichten, jener Themenausstellung im Mumok, in deren Rahmen sie nun Gelegenheit fand, den US-amerikanischen Gegenwartskünstler und das Naturhistorische Museum zusammenzubringen.

Ausgestopft und geteert

Im Saal 35 ist zwischen Zebras, Lamas, Büffeln und Nashörnern die Intervention The Tar Museum (2006) zu sehen. Sie besteht aus ausgestopften und geteerten Tieren sowie einem menschlichen Skelett, das ebenfalls geteert wurde. Die morbid wirkenden Exponate sind auf oder in jenen hölzernen Depotkisten ausgestellt, in denen sie auch transportiert wurden. Als zweiten Teil zeigt Dion ein dürres Baumgerippe, von dessen Ästen ebenso ausgestopfte und geteerte Vögel verschiedener Arten an Fäden herunterbaumeln.

Das schwarz glänzende, verklebte Federkleid der in Asphalt getränkten heimischen Vögel – darunter Drossel, Blesshuhn, Fasan oder Sperling – lassen sofort an Naturkatastrophen denken. Mediale Bilder von qualvoll sterbenden Vögeln nach einer Ölpest kennen wohl die meisten Betrachter – man sah sie etwa nach der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, die 2010 eine der schwersten Umweltkatastrophen auslöste.

Neben ökologischen Fragen geht es Dion vor allem darum, die Form zu reflektieren, in der präparierte Tiere hier ausgestellt werden. Indem er die Transportkisten in den Ausstellungsraum holt, macht er eine Ebene des Museumsbetriebs sichtbar, die Besuchern normalerweise verborgen bleibt. Anstatt die Tiere in Imitationen ihrer natürlichen Lebensräume zu setzen, lässt er zwei Echsen und einen Plastikflamingo einfach auf ihren trostlosen Transportkisten sitzen, holt das Skelett gleich gar nicht heraus. Dions Exponate sind nicht nur ihrem natürlichen Lebensraum entrissen und ausgestopft, sondern dank teerschwarzen Federkleids zu Todesboten überhöht. Als solche sollen sie die Inszenierung etwa der Zebras als quicklebendige Gruppe kontrapunktieren.

Mit solchen Kontrasten will Dion Museumsbesuchern ins Bewusstsein rufen, dass sie es mit Leichen zu tun haben – und sei die Präsentation auch noch so lebensnah: Die Tiere sind letztlich ebenso präparierte Körper wie Dions verklebte Vögel, die man eben mit Naturkatastrophen, Tod und Verderben assoziiert. Man soll darauf gebracht werden, dass es auch etwas Absurdes an sich hat, dass diese ausgestopften Zebras inszeniert sind, als ob sie in einer Steppenkulisse hinter Glas "unbeschwert" herumtollen, einander sogar liebevoll anstupsen.

Künstliche Lebendigkeit

Strategien von Musealisierung, Archivierung und Präsentation will Dion beleuchten, das Bewusstsein der Betrachter dafür schärfen. Auch die gesellschafts- und wissenschaftspolitischen Implikationen der Exponate, Fragen betreffend Kolonialismus und Imperialismus, sollen in den Blick genommen werden. Auf das NHM mag nun Mark Dions Intervention neue Blicke ermöglichen. Letztlich stünde es aber wohl vielen Museen gut an – sofern sie es noch nicht tun -, die eigene Sammlungsgeschichte verstärkt zu reflektieren und unter Umständen sogar zum Thema von Ausstellungen zu machen. (Kathrin Heinrich, Spezial, 29.9.2017)